Der Corona-Arbeitsmarkt – was kann das BMAS tun?
Leonie Gebers (Staatssekretärin, Bundesministerium für Arbeit und Soziales - BMAS) und Professor Marcel Fratzscher (Präsident, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung - DIW)
Leonie Gebers (Staatssekretärin, Bundesministerium für Arbeit und Soziales - BMAS) und Professor Marcel Fratzscher (Präsident, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung - DIW)

Die Unsicherheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt hält an, und das obwohl sich Wirtschaftsdaten und -erwartungen verbessern und die Arbeitslosenzahlen zurückgehen. Noch im August bezogen 4,7 Millionen Menschen Kurzarbeitergeld, im September waren es nur noch 3,7 Millionen. Neben den Ifo-Exporterwartungen sind die einschlägigen Arbeitsmarkt- und Containerumschlagsindizes im September gestiegen. Allerdings rechnet nicht nur Creditreform mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen in Deutschland. Was all das für den Arbeitsmarkt bedeutet, wurde bei der PEAG Personaldebatte zum Frühstück “Arbeitsmarkt unter Corona – Wie müssen Betriebe, Beschäftigte und Politik jetzt handeln?” diskutiert.

Beteiligt waren Leonie Gebers (Staatssekretärin, Bundesministerium für Arbeit und Soziales – BMAS) und Professor Marcel Fratzscher (Präsident, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung – DIW). Die Moderation übernahm Ute Welty. Kooperationspartner der Veranstaltungsreihe ist der Arbeitgeberverband Gesamtmetall.  

Insolvenzen

Fratzscher rechnet zum Jahresende mit einer größeren Insolvenzwelle in Deutschland. Diese Erwartung deckt sich mit anderen Studien und Einschätzungen. Dies Aussetzung von Meldepflichten zum Zahlungsverzug und zur Zahlungsunfähigkeit zu Beginn der Corona-Krise führt jetzt dazu, dass ein Nachholeffekt bei den Insolvenzen eintritt. Wenn Insolvenzen noch weiter hinausgezögert werden, entstehe ein größerer Schaden für die Wirtschaft. Dann seien auch Geschäftspartner und Banken der zahlungsfähigen Unternehmen betroffen. Im schlimmsten Falle drohe eine Bankenkrise.

Strukturwandel

„Wir haben den Instrumentenkasten für den Strukturwandel erweitert.“ Gebers betont die Bedeutung vom Qualifizierungschancengesetz und dem Arbeit-von-morgen-Gesetz, damit Deutschland für den anstehenden Strukturwandel in vielen Branchen gewappnet ist. Die Herausforderungen lassen sich anhand der drei Ds: Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demographie zusammenfassen. Fratzscher forderte eine gut ausgebaute Infrastruktur und deutliche Verbesserungen bei der Bildung.

Da ist etwas dran. Am Ende wird der Strukturwandel aber nur gelingen, wenn die Unternehmen mitgenommen werden. Dafür ist klassische Wirtschaftspolitik gefragt: Entbürokratisierung, Steuerentlastung und vieles mehr.    

Sozialer Zusammenhalt und gesellschaftliche Teilhabe

Auf Grund der Corona-Wirtschaftskrise werden viele Menschen Arbeit, Einkommen und Vermögen verlieren. 15,5 Millionen Haushalte leiden unter Einkommensverlusten. Darum stellt sich die Fragen nach den Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt und einem Anstieg der Armut.

Aber wird die Armut richtig gemessen? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet mit einer Armutsschwelle in Höhe von 60 Prozent des Medianeinkommens. Der Median unterteilt die oberen 50 Prozent der Einkommen von den unteren 50 Prozent der Einkommen. Oliver Zander (Arbeitgeberverband Gesamtmetall) weist zurecht darauf hin, dass der Median als Maßstab problematisch ist. Wenn alle in der Metall- und Elektroindustrie Beschäftigten ihren Arbeitsplatz verlieren würden, hätte Deutschland erhebliche wirtschaftliche Probleme. Die Armut würde aber zurückgehen. Fratzscher verteidigte das Konzept der relativen Armut. Es sei geeignet, die Möglichkeiten der Betroffenen zur gesellschaftlichen Teilhabe abzubilden. Viele der Konflikte, die in Deutschland existieren, haben etwas mit fehlender gesellschaftlicher Teilhabe auf Grund niedriger Einkommen zu tun. Allerdings werde in Branchen, in denen es Tarifverträge gebe, in der Regel besser bezahlt. Darum habe es Priorität, die Sozialpartnerschaft zu stärken.

Wenn aber die Sozialpartnerschaft gestärkt werden soll, stellt sich für mich die Frage, ob das mit Vorschlägen aus der SPD und den anderen linken Parteien vereinbar ist, nicht länger die von den Tarifparteien besetzte Kommission über den Mindestlohn entscheiden zu lassen, sondern diesen im Rahmen einer politischen Entscheidung anzuheben. Das würde die Tarifautonomie aushebeln. Es würde aber zusätzlich den Anreiz für Niedriglohnbeschäftigte senken, sich gewerkschaftlich zu organisieren.      

Kurzarbeit und Weiterbildung

Die Kurzarbeit ist und bleibt ein wichtiger Baustein, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Insbesondere für die Zeitarbeitsbranche sei die Kurzarbeitsregelung sehr hilfreich gewesen, machte Sven Kramer (Peag) deutlich. Kurzarbeit ist aber nicht unumstritten. Kurzarbeit sei für Arbeitgeber nicht mit Kosten verbunden, ist häufig zu hören. Das ist falsch. Der Arbeitgeber zahlt die Sozialversicherungsbeiträge. Wenn für Unternehmen (zum Beispiel Conti) absehbar ist, dass einzelne Produktionen nicht mehr wirtschaftlich sind, ist der Abbau von Arbeitsplätzen unvermeidbar. Gebers wies auf die besondere Bedeutung der Weiterbildung hin. Wenn Arbeitgeber Weiterbildungsmaßnahmen durchführen, übernimmt die Bundesagentur für Arbeit auch die Sozialabgaben.

Matthias Bannas

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