Eine europäische Kapitalmarktunion – gelingt das und warum sollte es gelingen?
Bundesminister Olaf Scholz

Der europäische Kapitalmarkt ist fragmentiert. Das macht grenzüberschreitende Investitionen und die damit einhergehende Zusammenarbeit teuer und aufwendig. Darum machen sich viele Banken, Börsen und andere am Kapitalmarkt tätige oder auf den Kapitalmarkt angewiesene Unternehmen für eine Kapitalmarktunion stark. Mit Markets4Europe gibt es eine länderübergreifende Kampagne, in der sich Politiker und Wirtschaftsvertreter als Testimonials engagieren. Die Kampagne wird von interessierten Unternehmen finanziert. Am 27. Februar war der Bankenverband Gastgeber einer Veranstaltung zum Thema.

… und der Bürger?  

Wenn sich die „Finanzindustrie“ für etwas stark macht, muss das nicht in jedem Fall zum Wohle des Bürgers sein. Kaum eine andere Branche hat so ein schlechtes Image. Die Finanzmarktkrise und die Cum-Ex-Skandale sind in guter Erinnerung. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat den richtigen Instinkt, in dem er fragt: „Warum machen wir das eigentlich?“ Um dann zu antworten, es handele sich um eine „Angelegenheit des öffentlichen Wohls“. Dafür müssen eine Kapitalmarktunion und Bankenunion zu mehr Wohlstand für die Bürger führen.  

… und warum?

Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück fasst die zu erwartenden Vorteile zusammen. Das sind: mehr Investitionen (auch in Startups und öffentliche Infrastruktur), höhere Renditen für Verbraucher und deren private Altersvorsorge, eine bessere Verteilung von Risiken und mehr Stabilität für den Bankensektor.

All das ist nicht von der Hand zu weisen. Theodor Weimer (Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Börse AG) untermalt diese Punkte, in dem er darauf hinweist, dass gerade einmal zwei deutsche Unternehmen zu den weltweit 100 größten Unternehmen gehören. Das mag auch damit zusammenhängen, dass Deutschland in der Plattformökonomie nicht erfolgreich ist. Es hat aber auch etwas mit dem Kapitalmarkt zu tun. Eine europäische Kapitalmarktunion wäre ein wichtiger Baustein, um innovative Unternehmen besser zu finanzieren.

… und klappt es?

„Man muss den Kapitalmarkt zum Fliegen bringen, jetzt wo die Briten raus sind.“ Das sieht Weimer richtig. Europa hat jetzt die Chance, seinen Kapitalmarkt neu aufzustellen. Die Briten stehen nicht mehr im Weg. Hinzu kommt der große Bedarf an Investitionen. Mit der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft und der Bekämpfung des Klimawandels gibt es zwei – sehr teure – europäische Projekte. Hinzu kommt die Altersvorsorge. Auf Grund des demographischen Wandels sind die gesetzlichen Altersvorsorgesystem krisenanfällig. Ohne mehr private Altersvorsorge wird es in Zukunft nicht gehen. Das alles spricht dafür, den europäischen Kapitalsektor zu stärken.

Ob die Verknüpfung mit der Bankenunion ein richtiger Schritt ist, um die Kapitalmarktunion am Ende zu bekommen, wie es Sven Giegold MdEP sieht, würde ich mit einem Fragezeichen versehen. Die Voraussetzungen für eine Bankenunion sind in vielen Mitgliedsländern nicht erfüllt. Ob es dennoch gelingt, dafür die erforderlichen politischen Mehrheiten zu gewinnen, kann ich mir nur schwer vorstellen. Klar ist aber, dass eine Kapitalmarktunion und / oder Bankenunion nur gelingen kann, wenn alle beteiligten Länder kompromissbereit sind. Ein großer Streitpunkt ist die Einlagensicherung. Vielleicht können alle Beteiligten am Ende mit einer Rückversicherung als Lösung leben.

Zu lange mit einer Kapitalmarktunion zu warten, ist für alle EU-Mitgliedsstaaten riskant. „Wir sollen es tun, bevor die nächste Krise kommt.“ Da stimme ich Dr. Florian Toncar MdB zu.

Matthias Bannas      

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