Hartz 4 – Armut per Gesetz?
Podiumsdiskussion mit Detlef Scheele (Vorstandsvorsitzender der BA), Bodo Ramelow (Ministerpräsident von Thüringen), Professor Bernd Fitzenberger (Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) und Tina Groll (ZEIT Online)

Hartz 4 ist auch bereits 15 Jahre alt. Das hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) zum Anlass für eine Podiumsdiskussion zum Thema mit Detlef Scheele (Vorstandsvorsitzender der BA), Bodo Ramelow (Ministerpräsident von Thüringen), Professor Bernd Fitzenberger (Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) und Tina Groll (ZEIT Online) genommen.

Umverteilung und Hartz 4

„Ich habe Hartz 4 seit Einführung als permanente Bedrohung empfunden.“ In Hinblick auf junge Menschen trifft die Befürchtung von Groll eigentlich nicht zu. Sie sind mit der Einführung von Hartz 4 oft sogar bessergestellt worden als im Sozialhilfesystem. Eine Schlechterstellung war Hartz 4 für Menschen, deren Arbeitslosenhilfe (altes System vor den Hartz-Gesetzen) höher lag als Hartz 4. Das traf auf besonders viele Menschen in den neuen Bundesländern zu. Darum spricht Fitzenberger richtigerweise von einer Umverteilung von älteren Arbeitnehmern im Osten zu jungen Müttern im Westen, in Folge der Einführung von Hartz 4.

Arbeitsplatzverluste durch Mindestlohn?

„Es ist nicht gesagt, dass ein höherer Mindestlohn keine negativen Beschäftigungseffekte haben wird.“ Fitzenberger weist auf die günstige konjunkturelle Situation bei der Einführung des allgemeinen Mindestlohnes hin. Das habe Entlassungen verhindert. Über dieses Thema lässt sich trefflich streiten, insbesondere weil einige Arbeitgeberverbände und Wissenschaftler eindringlich vor den Folgen des Mindestlohnes gewarnt haben, die dann nicht eingetreten sind. Mit einer Befürchtung lagen aber alle Mindestlohnkritiker richtig. Der Mindestlohn werde zum politischen Spielball. Genau das ist heute der Fall. SPD und die Linke überbieten sich Forderungen nach einem höheren Mindestlohn. Dabei sollte das Sache der Tarifparteien bleiben. Der Staat sollte nicht Löhne in der Privatwirtschaft festlegen.

Zusammenarbeit: Kommunen und Bundesagentur  

„Wir stehen uns bürokratisch selbst im Weg.“ Auch wenn ich die Vorliebe von Ramelow für öffentliche Beschäftigungsgesellschaften nicht teile, stimme ich ihm in diesem Punkt ausdrücklich zu.  Die Zusammenarbeit zwischen der BA und den Kommunen, mit dem Ziel Menschen in Arbeit zu bringen, könnte besser und unbürokratischer organisiert werden. Datenschutz, Zuständigkeiten und Anreize zu investieren oder eben nicht investieren führen dazu, dass vielen Leistungsberechtigten nicht optimal geholfen werden kann. Bei der Frage, wie die Beziehung zwischen Leistungsberechtigten und Behörden ist, teile ich die Position von Scheele, der gegenseitigen Respekt einfordert. Augenhöhe kann es nicht geben, wenn eine Seite über Leistungen entscheidet und Sanktionen aussprechen kann. Dass die BA sorgfältig arbeiten muss, steht außer Frage. Schließlich wird der Etat der BA von allen Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert. „Es gibt auch Menschen, die das bezahlen“, so Scheele.  

Was tun gegen die Wirtschaftskrise?

Ramelow fordert Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld und die Einführung von Transfergesellschaften für große Unternehmen, die viele Stellen abbauen müssen. Dem widerspreche ich nicht. Besser wäre es aber, die Wirtschaft fit für die Zukunft zu machen. Steuererleichterungen, Bürokratieabbau und vieles mehr, was von den Wirtschaftsverbänden bereits seit langem eingefordert wird, sollte jetzt endlich gemacht werden.    

Matthias Bannas

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