Ferdinand M. Sacksofsky, Pollytix zu den “Spaziergängen” und der Botschafter der Ukraine

QUIZ

„Die Ärmeren verlieren doch nicht, wenn sie das billige Fleisch durch eine vegane oder vegetarische Kost ersetzen. Im Gegenteil: Sie gewinnen.“

Herzlich willkommen

Liebe Leserinnen und Leser,

das letzte Wochenende hat uns erneut gezeigt, dass Demokratien in akuten Krisen handlungsfähig sind. Ob das auch dann der Fall ist, wenn – für das Bundeswehr-Sondervermögen – die eigenen Bundestagsfraktionen eingefangen, die Opposition einbezogen und die Bundesländer überzeugt werden müssen, werden wir sehen. Kritisch sehe ich, dass für neue Herausforderungen immer neue Schattenhaushalte entstehen. Wäre es nicht ehrlicher die Schuldenbremse aufzugeben? Dann wäre der Bundestag wieder für die Verabschiedung eines Haushalts verantwortlich, der schwarz auf weiß die Ausgabenwünsche der Bundesregierung und den Schuldenstand unseres Landes widerspiegelt?

Euer Matthias Bannas

In the Hood

Wöchentlich stellen wir Persönlichkeiten aus Berlin vor, befragen sie über das Stadtleben und die Politik in Berlin. Diese Woche haben wir mit Ferdinand M. Sacksofsky gesprochen. Er ist Senior Vice President und Head of Public Affairs Germany bei BCW (Burson Cohn & Wolfe) Global. BCW ist die drittgrößte PR-Agentur der Welt.

Waffenlieferungen an die Ukraine und 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr – die Bundesregierung hat eine 180-Grad-Wende in der Verteidigungspolitik hingelegt. Was muss sie jetzt tun, um für diese Entscheidungen auch mittelfristig den Rückhalt der Bevölkerung zu erhalten?

Die Bundesregierung muss die Menschen von der Notwendigkeit der Entscheidung überzeugen und verständlich darlegen, was das für unser Land bedeutet. Außerdem muss sie sicherstellen, dass diese zusätzliche Investition keine Gelder aus dem Topf anderer Vorhaben nimmt, auf die man sich im Koalitionsvertrag geeinigt hat. Für die Grünen und Teile der SPD wird es allerdings eine besondere Herausforderung, die verteidigungspolitische Wende ideologisch zu rechtfertigen. Diese Entscheidung muss in der Breite der Partei mitgetragen werden, um genügend Akzeptanz in der Wählerschaft zu generieren.

Welche neuen Herausforderungen bringt der Krieg in der Ukraine für BCW Deutschland mit sich?

Die Bilder und Nachrichten aus der Ukraine sind für uns alle eine Belastung. Besonders beschäftigt uns dabei die Sorge um die Sicherheit unserer Kolleg:innen in unseren Partneragenturen vor Ort. Unser Netzwerk WPP leistet hier bereits Hilfe, soweit es die Situation zulässt. Wir führen außerdem derzeit viele Gespräche mit unseren Mitarbeiter:innen in Deutschland und schaffen Räume, um gemeinsam über die Entwicklungen zu diskutieren und sich auszutauschen. Wir möchten niemanden in dieser Situation allein lassen. Das gilt auch für unsere Kund:innen. Wir sind täglich bemüht, die Entwicklungen rational aufzuarbeiten und zu bewerten. Neben der Sorge um ihre internationalen Kolleg:innen ist es vor allem die Unsicherheit über den weiteren Verlauf des Krieges und die Auswirkungen der Sanktionen auf die europäischen Märkte, die unsere Kund:innen umtreibt.

Was ist Dein Lieblingsort in Berlin-Mitte, und warum ist er das?

Da ich selbst in Mitte wohne und ich mich dort zu Hause fühle, gibt es auch viele Orte, an denen ich aus unterschiedlichen Gründen gerne Zeit verbringe. Wenn ich einen Ort benennen müsste, wäre es aber der Pariser Platz. Bis vor kurzem bin ich noch jeden Morgen mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit durch das Brandenburger Tor gefahren und es war für mich jeden Tag aufs Neue ein besonderes Gefühl. Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, die in den letzten 120 Jahren mehr historische Momente von weltpolitischem Ausmaß erlebt haben. Als Geschichts- und Politiknerd macht das den Pariser Platz für mich zu einem ganz besonderen Ort.

Read

Das Lobbyregister – Fundgrube für Geschichten? Mehrere Journalisten (u.a.  Hans-Martin Tillack) haben unter dem Titel „13 Ex-Abgeordnete, eine Lobbyfirma“ eine Geschichte in der Welt über die Agentur Eutop aufgeschrieben. Wer den Text liest, entdeckt wirklich nichts Neues. Ehemalige Abgeordnete verdienen Geld mit politischer Interessenvertretung. Das war in der Vergangenheit so. Daran wird sich in der Zukunft vermutlich nicht ändern. Den Betroffenen wird nichts Verbotenes nachgewiesen, trotzdem erscheinen sie in einem schlechten Licht. Sorgt das Lobbyregister für mehr Transparenz oder schürt es am Ende nur Vorurteile über den Politikbetrieb? (MB)

Listen

12 Euro Mindestlohn – war das die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit? Das Kabinett hat entschieden: Ab dem 1. Oktober 2022 wird der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland auf 12 Euro pro Stunde angehoben. Um diese Entscheidung durchzusetzen, hat die Bundesregierung auf Initiative der SPD einmalig die Entscheidung der eigentlich dafür zuständigen Mindestlohnkommission überstimmt. Ist die Erhöhung zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll? War es richtig, dafür die Mindestlohnkommission aus dem Spiel zu nehmen? Oder bräuchten Menschen mit niedrigem Einkommen angesichts von Inflation und steigenden Energiepreisen eigentlich eine ganz andere Form der Unterstützung? Darüber haben wir im neuen berlinbubble Podcast diskutiert.

Watch

Die Wannseekonferenz: Der Spielfilm von Matti Geschonnek zeigt den Ablauf der Wannseekonferenz. Erschreckend ist das Böse in seiner Alltäglichkeit. Jeder, der im politischen Berlin arbeitet, kennt ähnliche Verhandlungssituationen. Es geht darum verschiedene Parteien / Ministerien / Verbände einzubeziehen und sie im Anschluss für die getroffenen Entscheidungen in Mithaftung zu nehmen. Es geht um eine straffe Sitzungsleitung. Persönliche Beziehungen erleichtern die Durchsetzung von Zielen. Wahrscheinlich fallen euch noch zahlreiche weitere Details auf. Ihr könnt den Film aus der Mediathek des ZDF streamen. (MB)

Learn

TikTok für Einsteiger: Was unterscheidet die „For you Page“ von der „Discover Page“? Auf der einen Seite bespielt der Algorithmus eure Timeline anhand eurer bisherigen Aktivitäten auf TikTok. Auf der anderen Seite sind die Inhalte nach „Themen, Hashtags, viralen Videos und Sounds“ für euch sortiert. Daniela Vey hat hier für den Staatsanzeiger das Basiswissen für die Plattform aufgeschrieben. TikTok hat in Deutschland monatlich mehr als 14 Milliarden Views und mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr als 10 Millionen aktive Nutzer. Dabei handelt es sich überwiegend um junge Menschen. Damit ist die Plattform für politische Kommunikation relevant. (MB)

Know

Einblick zu den Corona-Spaziergängen: Das Meinungsforschungsinstituts Pollytix hat eine repräsentative Umfrage zu den Corona-Spaziergängen durchgeführt. Ihr erfahrt, wie bei den Befragten Parteipräferenzen und Einschätzungen über die Corona-Spaziergänge zusammenhängen. Immerhin 30 Prozent der Befragten haben Verständnis für die Proteste. Die Bereitschaft zur Teilnahme liegt bei den Anhängern der Parteien der Mitte bei 10 Prozent und drunter. Bei den Anhängern der AfD ist die Bereitschaft zur Teilnahme mit 62 Prozent besonders stark ausgeprägt. Im zweiten Teil der Umfrage wird nach den größten Bedrohungen gefragt. Hier liegt der Rechtsextremismus mit 37 Prozent deutlich vorne. (MB)

Follow

Andrij Melnyk: Der Botschafter der Ukraine in Deutschland kritisiert seit Jahren die Politik der Bundesregierung im Umgang mit Russland mit scharfen und deutlichen Worten. Der Applaus des Bundestages bei der Sondersitzung am 27. Februar war längst überfällig. Folgt ihm auf Twitter. (MB)

Attend

Der Kohleausstieg: Ambitionierte Ziele und realpolitische Umsetzung – so der Titel einer Online-Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 08.03.22, von 17:00-18:30 Uhr. Mit und für euch diskutieren: Dr. Nina Scheer SPD-MdB, Dr. Christian Matthes, (Öko-Institut), und Karsten Smid (Greenpeace Deutschland). Es moderiert Cosima Schmitt (Die Zeit). „Welche Auswirkungen haben die aktuellen geopolitischen Krisen auf den deutschen Energiemarkt? Wie wird der Strukturwandel in den jetzigen Kohleregionen Deutschlands bewältigt? Und wie nimmt man die Bevölkerung mit auf dem anspruchsvollen – und teuren – Weg zu einem klimafreundlichen Energiemix?“ Etwas bizarr finde ich, dass es offensichtlich nicht gelungen ist, einen Vertreter der Wirtschaft für die Teilnahme zu gewinnen. Hier könnt ihr euch anmelden. (MB)

Eat and drink

Lampenladen: Die mit Abstand schönste Bundestagskantine ist der Lampenladen im Paul-Löbe-Haus. Das Essen ist eher rustikal (Holzfällersteak mit Pommes). Es gibt aber eine Auswahl verschiedener Gerichte und Salate. Die Preise liegen etwas über den üblichen Kantinenpreisen. Dafür werdet ihr mit einem tollen Ausblick auf die Spree und das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus belohnt. Also nutzt die Gelegenheit, wenn ihr, aus welchem Grund auch immer, mittags im Bundestag weilt. (MB)

Buy

Olaf Scholz und Cum-Ex: Oliver Schröm und Ulrich Thiele haben für den Cicero in einer großen Geschichte die Verknüpfung von Olaf Scholz mit dem Cum-Ex-Skandal der Warburg Bank kleinteilig auf der Zeitschiene aufgearbeitet. Besonders interessant sind die Aussagen von Scholz vor zuständigen Bundestagsausschüssen und dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft. Es entsteht der Eindruck, dass er mehrfach Aspekte verschwiegen hat, die später rausgekommen sind. Die Cicero behauptet, er hätte gelogen. Ihr findet die Geschichte im aktuellen Heft, das könnt ihr auch hier bestellen. (MB)

Quiz-Auflösung

Das Zitat ist das Ende eines Statements von Gesundheitsminister Lauterbach im Interview mit dem Spiegel. (Nr. 9) / 26.2.

Vorher heißt es: “Machen wir uns doch nichts vor. Wer sind diejenigen, die jetzt am Billigfleisch durch schwerste Krankheiten Lebensjahre verlieren? Es sind die Ärmeren. Die soziale Frage stellt sich doch eher umgekehrt. Mit dem Billigfleisch ernähren sich bislang die Einkommensschwachen in einer Art und Weise, mit der sie viele Lebensjahre verlieren. Regelmäßiger Fleischkonsum ist zum Beispiel ein wichtiger Risikofaktor für Darmkrebs. Und vor allem bei sozial Schächeren wird der Darmkrebs meist zu spät entdeckt.”