“Ich werde Sicherheit mit dem Thema Migration nicht vermengen. So eine Verkürzung spaltet. Mir geht es um Recht und Ordnung. Es gibt Regeln und die müssen eingehalten werden.”
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im SZ-Interview
Liebe Leserinnen und Leser,
Social Media verführt dazu, seinen eigenen tollen und luxuriösen Lifestyle ins Schaufenster zu stellen. Davor sind Politiker nicht gefeit. Wer bei vielen EM-Spielen im Stadion ist, wie ein Fan die Spiele kommentiert, seine Karte aber wahrscheinlich nicht selbst bezahlt hat, löst ein Störgefühl aus und macht es seinen politischen Gegnern leicht, das auszuschlachten. Viel klüger sind die Postings – von zum Beispiel Robert Habeck – die Politiker ganz bodenständig als Fan zeigen; nicht im Stadion.
Euer Matthias Bannas
Wöchentlich stellen wir Persönlichkeiten aus dem politischen Berlin vor, befragen sie über das Stadtleben, Wirtschaft und die Politik. Diese Woche haben wir mit Nickolas Emrich gesprochen. Er ist Autor des Spiegel-Bestsellers „Gier nach Privilegien“. Darüber hinaus ist der ehemalige Polizeikommissar Emrich Jurist, Franchise-Experte und Unternehmer sowie bekennender Libertärer.
Foto von Charles Yunck bei einem Event von TheRepublic
In Ihrem Buch behandeln Sie auch die vermeintlichen Privilegien von Bundestagesabgeordneten. Die Sonderregelungen für die Altersvorsorge von Abgeordneten dürften allgemein bekannt sein. Weniger bekannt ist die Unterstützung für den Abgeordneten-Club Deutsche Parlamentarische Gesellschaft. Wo verläuft die Grenze zwischen einer sinnvollen Unterstützung der parlamentarischen Arbeit und einem Privileg?
Es ist sehr schwer, hier eine klare Grenze zu ziehen. Aus meiner Sicht ist dies noch ein recht schwaches Privileg. Da wiegt die Altersvorsorge doch einiges mehr. Ich verstehe aber die Kritik an der Parlamentarischen Gesellschaft. Durch solch elitäre Einrichtungen besteht die Gefahr, auch Idealisten schnell in einen Sog aus Größenwahn zu ziehen. Menschen lieben Privilegien, wie ich auch in meinem Buch schreibe, und lassen sich so allzu schnell instrumentalisieren. Die Psychologie der Macht spielt bei Privilegien eine große Rolle.
Wo besteht Handlungsbedarf?
Im Gegensatz zu privatrechtlichen Privilegien, die Menschen mit ihrem eigenen Geld erwerben, bedarf es in einem öffentlich-rechtlichen Umfeld einer maximal möglichen Transparenz. Abgeordnete sollten idealerweise so wenig wie möglich “geschenkt bekommen”. Es wäre sogar besser, wenn sie deutlich mehr verdienen würden, aber dafür keine Altersvorsorge hätten und wie Beamte nicht einmal eine Cola kostenlos annehmen dürften. Es sollte nie der Eindruck erweckt werden, mit einem Mandat sei man plötzlich “gleicher” als andere Menschen.
Wie würden Sie Entlohnung von Abgeordneten neu regeln?
Einen Vorschlag habe ich ja bereits gemacht. Ansonsten denke ich, sollte es unbedingt Erfahrungsstufen geben. Damit meine ich allerdings ausdrücklich außerparlamentarische Erfahrung. Ein Schöffe beispielsweise wird auch abhängig von seinem Verdienstausfall vergütet bzw. entschädigt. Bei Abgeordneten sollte das auch dringend eine größere Rolle spielen. Dadurch könnte man auch guten Gewissens mehr junge Abgeordnete auf entsprechenden Listenplätzen aufstellen, denn dann könnte man das Missverhältnis zwischen fehlender Erfahrung und den recht hohen Diäten abmildern.
Was ist Ihr Lieblingsort in Berlin-Mitte und warum ist er das?
Ich kenne Berlin-Mitte schon zu lange, um einen Lieblingsort benennen zu können. Ich hatte zwei Geschäfte in der Mall of Berlin. Da halte ich mich immer noch gelegentlich auf, auch wenn es sehr touristisch ist. Auf dem Alexanderplatz habe ich 13 Monate auf der dortigen Alexwache gearbeitet. Auch das ist mit gemischten Gefühlen verbunden. Am schönsten finde ich noch den Gendarmenmarkt. Da ist nicht ganz so viel Trouble wie zwischen der Museumsinsel und dem Brandenburger Tor. Der Platz vor dem Berliner Schloss gefällt mir auch sehr.
Wahlen in Großbritannien – Total Wipeout für die Tories: Am 4. Juli wird in Großbritannien ein neues Unterhaus gewählt. Die letzten Wahlen fanden 2019 statt. Damals gewannen die Tories mit Boris Johnson über 43 Prozent der Stimmen und erzielten damit die größte Mehrheit im Unterhaus seit den 1980er Jahren (insgesamt 365 Sitze). Labour unter Jeremy Corbyn vom linken Flügel der Partei musste eine historische Klatsche hinnehmen. Nur knapp ein Drittel der Wählerinnen und Wähler stimmten für die Roten. Am Ende erhielt Labour lediglich 203 Sitze. Für die kommenden Wahlen hat sich das Blatt jedoch radikal gewendet. Es gibt begründete Sorgen, dass den Konservativen am Donnerstag ein „Total Wipeout“ bevorsteht. Eine Ipsos-Wahlumfrage prognostiziert 42 % der Wählerstimmen für Labour unter der Führung von Keir Starmer und 19 Prozent für die Konservativen mit dem amtierenden Premierminister Rishi Sunak an der Spitze. Damit würden 470 Sitze im Unterhaus an Labour fallen und 85 an die Tories. Eines der großen Themen im Wahlkampf ist laut Umfragen der marode Zustand des National Health Service (NHS), eine wohlfahrtstaatliche Errungenschaft der Nachkriegszeit, die symbolisch für Gleichheit und sozialpolitische Umverteilungsmaßnahmen steht und die unter chronischen Finanzierungslücken leidet. Andere wichtige Themen umfassen Inflation und stagnierende Reallöhne, Wirtschaftswachstum und Migration. Die vergangenen Tory-Regierungen haben sich diesbezüglich in den letzten Jahren nicht mit Ruhm bekleckert. Die Wirtschaftspolitik der Tories schwankte zwischen Austerität und Bazooka-Ausgaben, das Wirtschaftswachstum Großbritanniens soll laut OECD merklich hinter dem anderer G7-Staaten zurückliegen. Der Brexit tut sein Übriges. Die Wählerinnen und Wähler vertrauen eher Labour, der NHS neues Leben einzuhauchen, nachdem die Wartezeiten für Patienten in den letzten Jahren rapide zugenommen haben. Auch das wichtige Thema Migration konnte von den Tories nicht ordentlich eingefangen werden. Die Einreise illegaler Zuwanderer wurde von der Regierung nicht erfolgreich eingedämmt. Bis Juni 2024 sind allein über 13.000 Migranten auf Booten über den Kanal illegal eingereist. Das Thema Migration hat sich derweil die 2018 gegründete rechtspopulistische Partei Reform UK zu eigen gemacht. Diese soll laut Ipsos 15 Prozent der Stimmen erhalten. Somit befinden sich die Tories in einer kniffligen Lage und verlieren Wählerpotential an das linke und rechte Lager. Ob Rishi Sunak seinen Sitz verliert, wird sich zeigen. Laut Umfragen wird er der erste Premierminister sein, der seinen Parlamentssitz nicht verteidigen kann. (RG) Die Daten finden Sie hier: General Election 2024 | Ipsos / UK growth set to be slowest of richest nations in 2025, says OECD (bbc.com) / Channel Crossing Tracker | Migration Watch UK
„Sawsan Chebli über den Gaza-Krieg: „Ich war eine stolze Deutsche“: Chebli ist in den letzten Monaten immer wieder durch zweifelhafte – aus meiner Sicht Pro-Hamas-Postings – auf Social Media aufgefallen. Trotzdem empfehle ich ihr taz-Interview zur Lektüre. Sie artikuliert vermutlich das, was ein Teil der „muslimisch / arabischen“ Bevölkerung denkt. Sie spricht unter anderem von mangelnder Emphatie für das Schicksal der Palästinenser und von Islamfeindlichkeit. Wie groß ist der Anteil in Deutschland, der so denkt wie sie? Ich habe dazu keine Zahlen. Politisch spielt das eine Rolle. (MB)
DiploPod von Frank Müller-Rosentritt MdB mit Michael Link MdB zur Europawahl: Wenn ein FDP-Bundestagsabgeordneter einen anderen FDP-Bundestagsabgeordneten in seinen Podcast einlädt, klingt das erst einmal nicht besonders aufregend. Mit diesem Vorurteil tut man den beiden außenpolitischen Experten unrecht. Die beiden Herren haben eine sehr klare Vorstellung davon, wie es mit der nächsten Kommission von der Leyen weitergehen muss, um den Rechts- und Linkspopulisten Einheit zu gebieten. Gut gefällt mir an dem Podcast die saubere Produktion und die klare Stimme von Müller-Rosentritt. Wünschen würde ich mir mehr Konflikt. Diskussionspartner mit einer anderen Meinung, eine aktivere Rolle des Hosts als Diskussionspartner und nicht nur als Fragesteller und eine klare Dramaturgie bei dem Gespräch. Ihr könnt den Podcast u.a. auf Spotify hören. (MB)
“CNN Presidential Debate: President Joe Biden and former President Donald Trump”. Ihr hat wahrscheinlich bereits einige Texte über die Biden/Trump-Debatte gelesen. Es lohnt sich dennoch die vollständige Debatte auf dem You-Tube-Kanal von CNN anzuschauen. Der Tenor aller Texte war; Biden kommt senil rüber und Trump macht einen deutlich fitteren und agileren Eindruck. Das stimmt. Der Grund dafür, dass Biden nicht selbst aus dem Rennen aussteigt, könnte aber sein, dass er nicht so schlecht war, wie es geschrieben worden ist. Viele seiner Antworten hatten Hand und Fuß. Und das könnte ihn daran hindern, freiwillig das Feld zu räumen. Über den reinen Wettbewerb hinaus, bekommt Ihr einen guten Überblick der Themen, die in den USA gerade relevant sind. (MB)
Making of Wirtschaftsvereinigung der Grünen: Die Gründungsgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung der Grünen, Julia Eckey, hat auf LinkedIn ein paar Gedanken zum Gründungsprozess aufgeschrieben. Am wichtigsten für einen erfolgreichen Gründungsprozess sind aus ihrer Sicht die beiden Bausteine Strategie und Team. Das der Gründungsprozess am Ende erfolgreich war, zeigt der Zusammenschluss mit dem Grünen Wirtschaftsdialog. (MB)
„Reallöhne haben nach Krisenverlusten weiterhin Aufholbedarf / Europäischer Tarifbericht des WSI – 2023 / 2024“: Es lohnt sich, die Analysen und Studien des gewerkschaftsnahen Instituts WSI zu lesen. Sie vermitteln einen Eindruck zur Positionierung der Gewerkschaften bei wirtschaftspolitischen Debatten. In diesem Report von Thilo Janssen und Malte Lübker erfahrt Ihr, wie sich Nominal- und Real-Tariflöhne im Vergleich zu Wirtschaftswachstum und Inflation entwickelt haben und das für alle 27 EU-Mitgliedsländer. Nebenbei wird die höhere Inflation in einigen osteuropäischen Mitgliedsstaaten erklärt; unter anderem mit höheren Margen der Unternehmen. Die Botschaft des Reports ist, dass bei den Löhnen Nachholbedarf besteht. Das überrascht mich nicht. (MB)
Svenja Appuhn: Wie tickt die Spitze der Grünen Jugend? Interessiert euch das? Dann folgt Svenja Appuhn auf Twitter / X und Instagram. Sie ist ein Teil der Doppelspitze. (MB)
“Wokeness” und Soziale Demokratie – ein Widerspruch?“: Die Friedrich-Ebert-Stiftung lädt am 8. Juli, 17:00-18:30 Uhr, zu einer digitalen Veranstaltung mit Erik Flügge (SQUIRREL & NUTS) ein. Es geht darum, wie identitätspolitische Fragen und klassische sozialdemokratische Themen miteinander in Einklang gebracht werden können und „wie Menschen trotz unterschiedlicher Positionen in diesen kulturellen Fragen respektvoll und wertschätzend miteinander im Gespräch bleiben können.“ Ihr könnt euch auf der Website der Stiftung anmelden. (MB)
Table.Briefings Sommerfest: Sommerfest als Redaktionsbesuch – das hat Table.Briefings wirklich smart gemacht. Für die 1.000 Gäste waren die Table.Briefings-Redakteure und Mitarbeiter sehr gut an den roten Namensschildern erkennbar. Bei den meisten Gästen waren die für sie relevanten Briefings auf ihren Namensschildern aufgedruckt. So konnten – wenn man sich nicht bereits kannte – beide Seiten unkompliziert miteinander ins Gespräch kommen. Wie beim Neujahrsempfang war die MdB- und Ministerdichte hoch. (MB)
Fischer & Lustig: Von Austern (3 Euro) bis zu Hackepeter vom Hering, danach Scholle oder ein Hirschsteak; das Fischer & Lustig im Nicolaiviertel (Poststraße 26) bietet bezahlbare Vielfalt und schöne Sitzgelegenheiten. Das gilt insbesondere für den Biergarten mit Baumbestand. Ergänzt wird das Angebot durch gute Weine und ein sehr leckeres hauseigenes Bier. Ich habe den gebratenen Kopfsalat (12 Euro) und das Hirschsteak (26 Euro) gegessen. Beides war gut. Das Restaurant geht sehr professionell und nett mit größeren Gruppen um. Sie bieten sich auch als Event-Location an. Geöffnet ist von 11.30 – 24.00 Uhr; Küchenschluss 22.00 Uhr. Mehr Infos und die Speisekarte findet Ihr auf der Website des Restaurants. (MB)
Ein Ticket für die Ausstellung Formverlust? in der Sammlung Scharf-Gerstenberg: Ihr findet die Ausstellung in dem ehemaligen Nofretete-Museum (Schloßstraße 70). Geöffnet ist von Mittwoch bis Sonntag / 11:00 – 18:00 Uhr. Es kostet regulär 10 Euro. Die Sonderausstellung ist in dem angenehm kühlen ehemaligen Marstallgebäude untergebracht. Auf dem Foto seht Ihr Bernard Schultzes „Großes Migof-Labyrinth“. Die Ausstellung hält, was der Titel verspricht. Es gibt zahlreiche kreative Ideen von Künstlern zu sehen, die Menschen, Tiere und Gegenstände neu interpretieren. Insgesamt sind knapp 100 Exponate zu sehen, so dass man nicht erschlagen wird. Die ständige Ausstellung ist auch sehenswert. Wenn es heiß ist, sind die Räume aber unangenehm stickig. Kombiniert den Museumsbesuch mit einem Spaziergang durch den Schlosspark und einen Abstecher in den nahegelegenen Biergarten Kastanie. (MB)
Referent:in (w/m/d) Beteiligung und Organizing beim SPD Parteivorstand, Studentisch:er Mitarbeiter:in für Kommunikationsagentur (m/w/d) bei Navos – Public Dialogue Consultants GmbH, Wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in (m/w/d) beim Zentrum für neue Sozialpolitik gGmbH, Werkstudent:in Public Affairs (m/w/d) bei ALDI Einkauf SE & Co. oHG, Referent:in Startup Politik & Netzwerk (m/w/d) bei Bitkom e. V.
Mehr Jobs auf politjobs.com