Dr. Marc-Pierre Möll (BVMed) zur industriellen Gesundheitswirtschaft, Kanzlerkandidatenkür und die Agenda 2030 vom IW

QUIZ

„Die SPD ist doch komplett besoffen, dass sie das noch nicht geklärt hat. Für eine Wahlkampforganisation ist diese mäandernde Unsicherheit der Super-Gau.“

Wahlkampfstratege Frank Stauss in der WirtschaftsWoche

Herzlich willkommen

Lieber Leserinnen und Leser,

alles wird in Deutschland teurer. In den USA war das Thema Lebenshaltungskosten wahlentscheidend. Pünktlich zur Bundestagswahl werden die Sozialversicherungsbeiträge gestiegen sein, die Grundsteuer sorgt für höhere Mieten, der höhere CO2-Preis macht sich bemerkbar und wer weiß was sonst noch dazu kommt. Im Sorgenbarometer von Ipsos ist der Preisanstieg immer vorne mit dabei. Die Parteien der Mitte dürfen das Thema nicht den Rändern überlassen. Um die Botschaft rund zu machen, müssen sie konkrete Maßnahmen ins Schaufenster stellen. Deren Umsetzung sollte nach der Wahl Priorität haben.
Euer Matthias Bannas

In the Hood

Wöchentlich stellen wir Persönlichkeiten aus Berlin vor, befragen sie über das Stadtleben und die Politik in Berlin. Diese Woche haben wir mit Dr. Marc-Pierre Möll gesprochen. Er ist Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands beim BVMed (Bundesverband Medizintechnologie). Der BVMed steht für mehr als 300 Hersteller, Zulieferer und Händler der MedTech-Branche sowie Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger. Die Branche hat über 210.000 Beschäftigte und erzielt mehr als 40 Milliarden Euro Gesamtumsatz; davon werden 9 Prozent in Forschung und Entwicklung investiert. 93 Prozent der Unternehmen zählen zum Mittelstand.

Credit: BVMed (Bilder: Darius Ramazani, Rene Staebler)

Der BVMed fordert eine MedTech-Strategie, um den Medizintechnik-Standort Deutschland zu stärken. Welche Maßnahme sollte die neue Bundesregierung unbedingt im Rahmen ihres 100-Tage-Programms in die Tat umsetzen?

Wir müssen die Rahmenbedingungen für die industrielle Gesundheitswirtschaft auch im Bereich der Medizintechnik verbessern, um damit Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern, neue zu schaffen sowie die Resilienz des Gesundheitssystems zu erhöhen. Dazu gehört eine ressortübergreifende MedTech-Strategie mit einem ressortübergreifend abgestimmten Maßnahmenplan. Medizintechnische Innovationen müssen besser unterstützt werden, beispielsweise durch klare Fristen bei Bewertungsverfahren.

Industrie- und Gesundheitspolitik: der BVMed muss Ansprechpartner aus verschiedenen politischen Welten erreichen. Wie gelingt es, beides sinnvoll miteinander zu verknüpfen?

Beides muss zusammengedacht werden. Medizintechnologien verbessern unsere Lebensqualität, retten und erhalten Leben. Auf der anderen Seite trägt die Branche zu einer positiven Entwicklung der Gesundheitswirtschaft bei. Wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen und Unternehmen den Standort verlassen, entstehen Engpässe in der Versorgung. Deshalb müssen wir Gesundheits- und Industriepolitik zusammendenken und besser abstimmen, beispielsweise durch einen Koordinator in der Bundesregierung.

Was ist Dein Lieblingsort in Berlin-Mitte und warum ist er das?

Mein Lieblingsort in Berlin ist die Lobby der Humboldt-Universität Unter den Linden. An der großen Treppe befindet sich das berühmte Zitat von Karl Marx zur 11. Feuerbachthese: “Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.”

Measure

Die SPD hätte mit Boris Pistorius als Kanzlerkandidat bessere Karten für die Bundestagswahl. Der Bundeskanzler Olaf Scholz erfreut sich derzeit nicht hoher Zufriedenheitswerte in der Bevölkerung. In den letzten 12 Monaten gaben lediglich 10 bis 12 Prozent der Bürgerinnen und Bürger an, mit seiner Arbeit sehr zufrieden zu sein. Er gilt als das Gesicht der gescheiterten Ampelregierung und sieht sich häufig dem Vorwurf der Unentschlossenheit, mangelnder Vision und Durchsetzungskraft gegenüber. Diese Eigenschaften erschweren es ihm, die unterschiedlichen Lager der Koalition, die im Laufe der Jahre immer weiter auseinandergedriftet sind, zusammenzuhalten. Scholz ist es bisher nicht gelungen, die Menschen emotional hinter sich zu vereinen; er konnte keine Brücke zu den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes schlagen. Authentisch und überzeugend wirkte er nur in wenigen Ausnahmen, wie etwa bei seiner Zeitenwende-Rede oder seinem sichtlich erbosten Ausbruch nach der Entlassung des Finanzministers Christian Lindner und dem darauffolgenden Aus der Ampel. Der sachlich-überlegte Stratege, der klare Antworten vermeidet (oft als “Scholzomat” bezeichnet), weckt keine Sympathien in der Bevölkerung. Boris Pistorius hingegen hatte es einfacher. Er wurde Verteidigungsminister in einer Zeit, in der Reformen und Investitionen in die Bundeswehr unumgänglich sind. In der Politik herrscht weitgehend Konsens über die dringende Notwendigkeit der „Remilitarisierung“ Deutschlands („Kriegstüchtig“ im Jargon des Verteidigungsministers). Mit einem solchen Momentum gestaltet sich Politik leichter als unter dem Vorzeichen der Sparsamkeit. Anders als Scholz ist Pistorius weniger zurückhaltend und positioniert sich klar, beispielsweise in Bezug auf den Einsatz deutscher Langstreckenwaffen durch die ukrainischen Streitkräfte auf russischem Gebiet. Scholz zeigt sich momentan als zurückhaltender Friedenskanzler (wahlstrategisch mit Blick auf die zunehmende Kriegsmüdigkeit unter den Deutschen). Zudem wird Boris Pistorius in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mit den toxischen Auseinandersetzungen der Ampelpartner in Verbindung gebracht. Wohl auch deshalb genießt der Verteidigungsminister seit Beginn seiner Amtszeit 2023 konstant hohe Zufriedenheitswerte in der Bevölkerung, er ist Deutschlands beliebtester Politiker. Ein Manko von Pistorius ist, dass er als ehemaliger Innenminister und jetziger Verteidigungsminister eher die Law-and-Order-Themen bearbeitet und wenig Erfahrung in sozialpolitischen Kernthemen der Sozialdemokratie besitzt. In Wirtschaftsfragen ist Pistorius ein ebenso unbeschriebenes Blatt. Wachstum ist jedoch ein zentrales politisches Thema, und die Angst vor Armut und sozialer Ungleichheit ist eine der größten Sorgen unter den Deutschen. Eine zweite Amtszeit von Olaf Scholz erscheint unter den gegenwärtigen Vorzeichen unrealistisch. Die Union liegt in Umfragen beinahe 20 Punkte vor der SPD, und die großen Personalfragen sind entschieden, Merz ist als Kanzlerkandidat gesetzt. In einer Ipsos-Umfrage gaben 17 Prozent der Befragten an, dass Pistorius am ehesten als Bundeskanzler geeignet sei, gefolgt von Friedrich Merz mit 15 Prozent. Olaf Scholz hingegen sahen nur 6 Prozent als fähig an. Ein Kandidatenwechsel kurz vor der Wahl ist immer ein Experiment, dessen Erfolg nicht garantiert ist, wie kürzlich die Wahl in den USA zeigte. Zumal Pistorius erwähnte Schwachstellen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik besitzt. Dennoch hat die SPD mit Boris Pistorius die besseren Karten für ein gutes Bundestagswahlergebnis am 23. Februar, was auch den Scholz-Loyalisten klar sein müsste. (RG) Quelle: Meinungsumfragen | Ipsos

Read

„Das ist die Sparliste des Berliner Senats“: Der Berliner Senat ist gezwungen, kurzfristig 3 Milliarden Euro aus dem Haushalt 2025 herauszusparen. Einen Überblick der wichtigsten Einsparideen erhaltet Ihr in diesem Text vom rbb. Der Vorgängersenat hätte bestimmt andere Prioritäten gesetzt und zum Bespiel beim Thema Transformation weniger gespart. Die Politik einer Regierung findet sich immer in den Prioritäten wieder, die im Haushalt gesetzt werden. Dieses rot-schwarze Einsparpaket ist auf den nächsten Wahlkampf in Berlin geschnürt. Auch wenn das 29-Euro-Ticket wegfällt, werden die meisten Berliner nicht spürbar belastet. (MB)

Listen

“Peter Thiel on Trump, Elon, and the Triumph of the Counter-Elites”: Bari Weiss hat für ihren Honestly-Podcast mit Peter Thiel gesprochen. Thiel ist ein erfolgreicher Unternehmer. Er ist aber auch eine der wichtigsten libertären / rechten Stimmen aus dem Silicon Valley mit einem engen Draht zu Trump und Vance. Dieser hat für ihn gearbeitet. Wie wenig Thiel auf den demokratischen Streit mit politischen Gegnern gibt, wird anhand der Auswahl seiner Beschimpfungen für diese deutlich; Borgs, Stormtrooper, Zombies, NPCs. Interessant ist sein Blick auf den Iran. Eine iranische Atombombe könne nicht akzeptiert werden. Ist das ein Fingerzeig auf einen gemeinsamen Angriff von Israel und der USA auf den Iran? In punkto Wahlkampf präsentiert er ein schlüssiges Narrativ zu steigenden Mieten und irregulärer Migration. Das Angebot von Mietwohnungen lässt sich nicht von heute auf morgen steigern. Wenn die Nachfrage deutlich ansteigt, steigen auch die Preise. (MB)

Watch

„Triangle of Sadness“: Dieser Spielfilm von Ruben Östlund ist beste Unterhaltung. Anhand der Luxuskreuzfahrt eines Influencer-Pärchens werden viele aktuelle politische Fragen (Geschlecht, Status, Gesellschaft, usw,) mithilfe bösartigster Erzählstränge diskutiert. Der Film ist superbesetzt und aufwendig in Szene gesetzt. Die Dramaturgie funktioniert, es wird trotz der Überlänge nicht langweilig. Ihr könnt Ihn auf Arte anschauen. (MB)

Learn

„Endlich auf 1 in den Podcast-Charts (in deiner Nische) / 25 Reichweiten-Hacks von David Reiter“: In der aktuellen Ausgabe ihres TextHacks-Newsletter featured Anne-Kathrin Gerstlauer David Reiter. Von ihm erfahrt Ihr, wie Ihr die Reichweite eures Podcast verbessern könnt. Wenn Ihr einen Podcast startet, braucht es neben Inhalt und Technik unbedingt ein Konzept zur Distribution. Toll an dem Text von Richter ist, dass er zahlreiche umsetzbare Tipps aufgeschrieben hat. (MB)

Know

„Agenda 2030 / Arbeitsmarktpolitische Weichenstellungen für die Jahre 2025-2029“: Ein Team des IW (u.a. Holger Schäfer, Stefanie Seele und Oliver Stettes) hat aufgeschrieben, mit welchen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die nächste Bundesregierung auf den demografischen Wandel reagieren sollte. Zum Beispiel einfachrere Fachkräfteeinwanderung, Anreize zur – auch längeren – Arbeit, nachhaltige Sozialversicherungssysteme und vieles mehr. Das könnten Union und FDP in ihre Wahlprogramme schreiben. Die SPD wird sich mit den meisten Vorschlägen schwer tun. (MB)

Follow

ver.di: ver.di steckt mitten in mehreren harten Tarifauseinandersetzungen. Darum finde ich es erstaunlich, dass Twitter / X nur als Ausspielkanal für PR-Material genutzt wird. Von Seiten der Pressestelle und vom Vorsitzenden gibt es keinen persönlichen Account, der sich aktiv an Debatten beteiligt. (MB)

Attend

„Deutsche, Dänen & Technologie – sehen wir in Deutschland eher Risiken statt Chancen?“ Nachgefragt-Talk mit Claus Ruhe Madsen, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein: Am 28. November lädt Telefónica mal wieder zum Nachgefragt-Talk ins Basecamp ein. Von 8:30 Uhr – 9:00 Uhr habt Ihr die Gelegenheit den einzigen dänisch / deutschen Landesminister kennenzulernen. Madsen kann kommunizieren. Es wird Spaß bringen. Meldet Euch auf der Website vom Basecamp an. (MB)

Been there

Bundestagswahl – FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Grosse-Brömer bei der Mitgliederversammlung des BDWi: Der Bundestagswahlkampf war – wie zu erwarten – das beherrschende Thema bei der Mitgliederversammlung des BDWi. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai MdB und der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses und CDU-Abgeordnete Michael Grosse-Brömer MdB nahmen sich jeweils mehr als eine Stunde Zeit, um mit den Mitgliedern des BDWi zu diskutieren und auf die zahlreichen Fragen zu antworten. Sowohl in der Analyse als auch in Hinblick auf die jetzt erforderlichen Maßnahmen herrschte weitestgehend Einigkeit. Die zahlreichen Insolvenzen, die Schließung von Produktionsstätten und die schlechten Konjunkturdaten sprechen eine klare Sprache. Der deutschen Wirtschaft geht es schlecht. In vielen anderen Ländern sind die Zahlen – trotz gleicher externer / außenpolitischer Herausforderungen – deutlich besser. Dafür ist – auch – die Wirtschaftspolitik der Ampel-Bundesregierung verantwortlich. Und was muss jetzt getan werden? Die Vorschläge, die Christian Lindner in seinem jüngsten Papier aufgeschrieben hat, sind größtenteils auch in der Union zustimmungsfähig. Im letzten Koalitionsausschuss der Ampel bestand nicht einmal die Bereitschaft zur Diskussion des Papiers. Ein Knackpunkt wird sicherlich Europa sein. Gelingt der Präsidentin der Europäischen Kommission ein Kurswechsel? Schafft sie es, anstelle der Klimakommission der letzten Legislaturperiode jetzt eine Wirtschaftskommission auf den Weg zu bringen? Der Forderung Europa zu stärken, kann man in Hinblick auf die Außenpolitik kaum widersprechen. Aber wenn man in Betracht zieht, wie viel Regulierung der Wirtschaft aus Brüssel alleine in den letzten Jahren hinzugekommen ist, wäre es wünschenswert, wenn sich die Kommission überzeugen ließe, einen Teil dieser Regulierung zu streichen. (MB)

Eat and drink

Berliner Küche im Nolle: Das Restaurant Nolle ist in S-Bahn-Bogen 203 sehr nahe zur Station Friedrichstraße. Von außen sieht es ein wenig aus wie eines der Restaurants, die Touristen mit ein bisschen Babylon Berlin und den 20er Jahre anlocken wollen. Tatsächlich aber ist es ein sehr leckeres gutbürgerliches Restaurant. Die hausgemachten Buletten sind ebenso empfehlenswert, wie die Kartoffelsuppe, die es in der Variante mit Wurst und Schinken gibt, wie auch vegetarisch. Für den größeren Hunger gibt es Schnitzel oder Lachs oder den Nolle-Teller mit Schweineschnitzel, Bulette und Rostbratwürstchen auf Weinkraut mit Bratkartoffeln. Die Kellnerinnen und Kellner sind nett, freundlich und flink. Zurzeit servieren sie dort übrigens auch Glühwein. Der Laden ist vorbildlich groß, man findet quasi immer einen Platz. Geöffnet ist das Nolle täglich von 11:30 Uhr bis Mitternacht. (EH)

Buy

BESTÅ Schränke von Ikea: Wer eine robustere und tiefere Alternative, inklusive der Möglichkeit zum Einbau von Türen, zu den Billy-Regalen sucht, landet bei Besta. Der Vorteil ist, Ihr könnt die Systeme noch Jahre später ergänzen. Auch wenn sich die Qualität des Materials gefühlt geändert hat und Scharniere extra bezahlt werden müssen, passt alles immer noch zusammen. Ihr findet die Teile schnell in der Selbstbedienungshalle. Verzichtet habe ich bei meinem Besuch auf die Gastro-Angebote. Es war ja immer ein bisschen no frills; vielleicht bin ich jetzt aber einfach zu alt dafür? (MB)

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