
Diplom-Politologen Enrico Seewald hat sein aktuelles Buch „Deutschland und Polen: Die Geschichte der amtlichen Beziehungen“ vorgestellt. Er ist beim Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin für die Diplomatie der DDR zuständig.
Enrico Seewald, zuständig für die Diplomatie der DDR beim Forschungsverbund SED-Staat an der FU
Sie haben zusammen mit Urs Unkauf ein Buch über die Geschichte der diplomatischen Beziehungen von Deutschland und Polen geschrieben. Was macht diese Beziehung besonders und unterscheidet sie von denen Deutschlands zu anderen Ländern?
Unser Buch erfasst die ganze gemeinsame Geschichte als Nachbarn, also mehr als tausend Jahre. Ähnlich wie bei Frankreich hatten wir Deutschen mit Polen viele Konflikte, aber nirgendwo waren die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg so schwerwiegend wie in Polen. Die Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg begründete neues Unrecht. Diese Traumata und der heftige Streit um die Grenzen machen die Beziehungen zu einem hochsensiblen und komplexen Thema für die historische Forschung, auch wenn Polen und Deutschland nunmehr Partner sind.
Das Weimarer Dreieck – die Zusammenarbeit von Deutschland, Frankreich und Polen – könnte ein wichtiger Baustein sein, um die Zukunft der EU sicherzustellen. Was muss die nächste Bundesregierung unbedingt angehen, um die Beziehung zu Polen zu verbessern?
Die deutsch-polnischen Beziehungen sind in mehrfacher Hinsicht zentral für das geeinte Europa. Neben der wirtschaftlichen Dimension wird die sicherheits- und verteidigungspolitische Komponente zukünftig an Bedeutung gewinnen. Aus unserer Sicht ist es essenziell, die bilateralen Beziehungen mit unserem östlichen Nachbarn auf allen Ebenen von der Spitzenpolitik bis zu kommunalen und regionalen Initiativen zu stärken. Die gute Chemie zwischen Friedrich Merz und Ministerpräsident Donald Tusk dürfte sich dabei als förderlich erweisen.
Was ist Ihr Lieblingsort in Berlin-Mitte und warum ist er das?
Mein Lieblingsort in Mitte ist der Pariser Platz wegen seiner historischen Bedeutung. Oft habe ich da in den 1980er Jahren als Jugendlicher auf der Ostseite gestanden und nach Westen geschaut. Ich war dort auch in der Nacht vom 9. zum 10. November 1989 dabei. Der Fall der Mauer und das Ende des Kommunismus in Europa sind für mich als ehemaligen Widerstandskämpfer gegen das Regime in der DDR glückliche Momente gewesen. An jene Nacht denke ich immer, wenn ich über den Platz gehe und mich über seine jetzige Form freue.
Von rechts: Enrico Seewald, Botschafter Viktor Elbling, Urs Unkauf / Foto: Aureliusz Marek Pędziwol