
Stefan Kolev leitet seit März 2023 das Ludwig-Erhard-Forum für Wirtschaft und Gesellschaft. Er ist seit März 2012 Professor für Wirtschaftspolitik an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ordnungsökonomik sowie die Geschichte des ökonomischen Denkens. Er ist Mitherausgeber des ORDO Jahrbuchs für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft und des Journal of Contextual Economics – Schmollers Jahrbuch. Im Rahmen seiner Forschungsarbeit am LEF befasst er sich aktuell insbesondere mit den Themen Innovationsökonomik und Bürokratieabbau. / Beschreibung vom Ludwig-Erhard-Forum für Wirtschaft und Gesellschaft
Professor Dr. Stefan Kolev ist Leiter des Ludwig-Erhard-Forums für Wirtschaft und Gesellschaft
„Wohlstand für Junge: Wie der ordnungspolitische Neustart des Landes gelingen kann“ So der programmatische Titel eines aktuellen Gutachtens des Ludwig-Erhard-Forums. Gibt es Übereinstimmungen des Koalitionsvertrages mit den Empfehlungen des Gutachtens? Was stimmt Sie in Hinblick auf die neue Bundesregierung hoffnungsfroh?
In diesem Gutachten fordert das Ludwig-Erhard-Forum, bei der Frage nach guter Wirtschaftspolitik folgendes Bild aufzurufen: Man stelle sich zwei 25-Jährige vor, die beide über Emigration nachdenken – physisch ins Ausland oder psychisch in die innere Emigration. Gute, also nachhaltige Wirtschaftspolitik – im Sinne der Ordnungspolitik – ist eine Politik, welche die Wahrscheinlichkeit senkt, dass diese beiden jungen Menschen auswandern.
Der Koalitionsvertrag ist an zwei Stellen leise oder zaghaft, die hierfür entscheidend sind: bei der Besteuerung und bei der Rente. Beide Punkte sind langfristig relevante Preise, welche das Preis-Leistungs-Verhältnis Deutschlands in den Augen der Jungen mitbestimmen. Wenn sich die international nicht wettbewerbsfähige Besteuerung und das Rentensystem hierzulande nicht entscheidend ändern, wird die Emigrationswahrscheinlichkeit nennenswert hoch bleiben.
Bei der Bundesregierung stimmt mich optimistisch, dass Ordnungspolitik und Soziale Marktwirtschaft als zentrale Anker der künftigen Politik genannt werden. Hoffentlich wird es bald auch Regierungspraxis – dazu will auch das Ludwig-Erhard-Forum beitragen, indem es die Regierung konstruktiv-kritisch begleitet.
Warum sollte die neue Bundesregierung häufiger auf Thinktanks und seltener auf Wirtschaftsverbände hören, um die deutsche Wirtschaft wieder zurück auf den Wachstumspfad zu bringen?
Sowohl Verbände als auch Thinktanks haben in der Politikberatung ihre Berechtigung. Thinktanks sind ja so etwas wie Ideen-Verbände, man läuft durch Berlin als Lobbyist für eine Idee. Den Unterschied kann man an der Grenze zwischen Partikularinteressen (Privilegien) und Gemeinwohl (allgemeingültige Regeln) festhalten. Verbände sind meist Vertreter von Partikularinteressen und tun es auch explizit. Wenn man hingegen für liberale Ideen wie die Ordnungspolitik lobbyiert, streitet man für möglichst allgemeingültige Regeln für alle – und eben nicht für Partikularinteressen. Im Englischen würde man hier „pro business“ (also Lobbyismus für besondere Firmen, Branchen etc.) mit „pro market“ (für wirtschaftliche Freiheit für alle) kontrastieren.
Was ist Ihr Lieblingsort in Berlin-Mitte und warum ist er das?
Orte wie diejenigen an der Bernauer Straße oder der Schwedter Straße, wo man noch Spuren der Mauer findet. Freiheit ist oft abstrakt, Unfreiheit hingegen sehr konkret. Wir verstehen den Wert der Freiheit besser, wenn wir der Unfreiheit regelmäßig gedenken.