
Thomas Mühlnickel über ein mögliches AfD-Verbot
Sie machen sich für die Prüfung eines Verbots der AfD stark. Das am häufigsten genannte Argument gegen ein AfD-Verbot ist, dass diese Partei dann vermutlich mehrere Jahre von einer Opferrolle profitieren würde. Wie könnten die demokratischen Parteien dem kommunikativ begegnen?
Demokratiefeinde manipulieren durch Lügen und Verächtlichmachung. Der Opfermythos ist zentral in rechter Rhetorik. Zu den Methoden der AfD gehören die Täter-Opfer-Umkehr und die Skandalumkehr, wie wir jetzt nach den Enthüllungen von Correctiv sehr deutlich sehen. Auch wenn zunehmend Widerstand gegen Rechtsextreme bzw. die AfD laut wird: Die AfD kann demokratisch an die Macht kommen, um dann undemokratisch und unmenschlich zu regieren. Wir müssen deshalb alle finanziellen, juristischen und politischen Mittel nutzen, um unsere Demokratie zu verteidigen. Der Schutz unserer Verfassung wiegt in meinen Augen schwerer als die Sorge um eine Opferrolle ihrer Gegner. Die Entzauberung des Opfermythos‘ gehört zur hohen Kunst politischer Kommunikation, komplexe Zusammenhänge für alle – sachlich und emotional – nachvollziehbar zu machen.
Die härteste Herausforderung für die Ampel ist es, bei den Menschen für Akzeptanz zu werben, dass die Transformation hin zur Klimaneutralität nicht zum Nulltarif zu haben ist. Wo sehen sie beim Umgang mit dem Thema Chancen zur Verbesserung?
Die Bundesregierung agiert in Zeiten ständiger und vielseitiger Krisen, die einerseits hohen Veränderungsdruck und andererseits immense Sorgen und Ängste auslösen. In schwierigsten politischen Zeiten braucht es in der öffentlichen Wahrnehmung Menschenpolitik statt Sachpolitik. Eine dem Gemeinwohl verpflichtete Politik sollte heute drei Dinge kommunizieren: Ein starkes Gemeinschafts- und Stabilitätsgefühl, eine faire Lösung von Verteilungsfragen sowie ein klares Nein zu Ungerechtigkeit. Es gilt Signale der Einigkeit und zielorientierten Lösung auch strittiger Themen zu senden.
Was ist Ihr Lieblingsort in Berlin-Mitte und warum ist er das?
Als Berufs-Berliner aus Hamburg ist das Brandenburger Tor ein Ort politischer Inspiration für mich. An keinem anderen Platz in Deutschland wird Geschichte so deutlich. Das Brandenburger Tor steht sinnbildlich für die schlimmsten und die besten Stunden unseres Landes. Es erinnert uns daran, dass wir als Gesellschaft gemeinsam definieren, was in den Geschichtsbüchern nachfolgender Generationen über unsere Zeit stehen wird. Politik und Gesellschaft können den Lauf der Dinge verändern.