Mit Klagen Berichterstattung verhindern, geht das?
Taz Mediensalon unter dem Titel "Zuckerbrot und Peitsche", Jan Mönikes

Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!“ lautet der Titel einer aktuellen Studie der Otto-Brenner-Stiftung zum Medienrecht. Das gilt nicht für jede kritische Berichterstattung. Insbesondere investigative Journalisten werden aber häufig bereits zu Beginn ihrer Recherche mit rechtlichen Aufforderungen von Anwälten konfrontiert, so einige für die Studie interviewte Journalisten.

Warum wird geklagt?

Rechtsanwalt Jan Mönikes kritisiert die mangelhafte Fehlerkultur im Journalismus. Es bestehe keine Bereitschaft von Journalisten Fehler einzugestehen. Das gelte gerade bei falscher Verdachtsberichterstattung. Mangelnde Dialogbereitschaft habe zur Folge, dass auf PR-Seite die Notwendigkeit für ein rechtliches Herangehen steige. Ob in dieser Weise vorgegangen würde, hänge aber auch stark von den Anwaltskanzleien ab. Mönikes rate in rund 75 Prozent aller Anfragen von Mandanten ab, weil keine seriösen Erfolgsaussichten bestünden. Das bereits während einer Recherche der Anwalt eingeschaltet würde, hänge auch damit zusammen, dass nach Verbreitung eines Berichts auch erfolgreiche Klagen den Schaden oft nicht ausgleichen könnten. Schadensersatz werde allenfalls bei Boulevardberichterstattung verhängt. Richtigstellungen erreichen nur einen Teil des Publikums.

Die Studie sieht noch andere Ursachen für den Einsatz von Rechtsmitteln. Ko-Autor Daniel Moßbrucker weist auf den schrumpfenden Markt für im Medienrecht tätige Anwaltskanzleien hin. Hinzu käme, dass negative Berichterstattung viel länger sichtbar wäre, denn „das Internet vergisst nicht“. Auch seien die Rechtsmittel (Gegendarstellung, usw.) für die PR-Seite nicht effizient. 

Maßnahmen, um negative Berichterstattung zu verhindern

Um negative Berichterstattung zu verhindern, kämen verschiedene Maßnahmen zum Einsatz, macht Moßbrucker deutlich. Bereits während der Recherche würden presserechtliche Informationsschreiben und Warnschreiben versendet. Im Boulevardjournalismus sei das nachweisbar wirksam, im investigativen Journalismus aber nicht. Darüber hinaus würden heute von Anwälten Hintergrundgespräche angeboten, Deals gemacht, indem andere Geschichten angeboten werden und eigene PR-Kampagnen zu den Themen gefahren.  

… und die Folgen?

Ist die Pressefreiheit in Gefahr? Wenn Drohungen von Anwälten dazu führen würden, dass Journalisten eingeschüchtert sind und Geschichten nicht schreiben, dann wäre dieser Vorwurf nicht von der Hand zu weisen. Allerdings halten immer noch die allermeisten Verlage dagegen und stellen sich der rechtlichen Auseinandersetzung. Das gilt aber nicht immer. Ein Fall bei Freitag hat Schlagzeilen gemacht, der Verleger hatte sich geweigert eine freie Mitarbeiterin zu unterstützen. Das scheint aber eine Ausnahme zu sein.  

Was tun? 

Moßbrucker plädiert für eine Selbstverpflichtung der Verlage, Klagen entgegenzutreten. Dafür sei eine Kriegskasse erforderlich. Zudem müssten Journalisten in rechtlichen Fragen besser aus- und weitergebildet werden. Peter Freitag (dju) wies darauf hin, dass Gewerkschaften einen Rechtsschutz anbieten.

Strittig war ein von Moßbrucker geforderter von den Verlagen bestückter Fonds, aus dem die Kosten für wichtige und aufwendige Rechtsstreitigkeiten finanziert werden können. Mönikes wies darauf hin, dass fast alle einschlägigen Rechtsfragen bereits grundsätzlich geklärt seien. Hinzu käme, dass presserechtliche Verfahren in Deutschland im internationalen Vergleich nicht teuer sind. Für die Verteidigung rechtswidriger Recherche und schlechten Journalismus aber bedürfe es keines Solidaritäts-Fonds. Hier würden sich die Medien eben auch in der Qualität ihrer Berichterstattung im Wettbewerb unterscheiden.

Fazit

„Mutwillige Falschberichterstattung, das gibt es. Das Gros der Kollegen arbeitet aber sorgfältig.“ Da stimme ich Freitag ausdrücklich zu. Was für Journalisten gilt, gilt aber auch für Kommunikatoren. Einige Kommunikationsabteilungen nutzen regelmäßig Rechtsmittel, um negative Berichterstattung zu verhindern. Die allermeisten verzichten darauf.    

Matthias Bannas

Die vollständige Veranstaltung ist hier zu sehen: https://www.facebook.com/669240916596907/videos/477784089508774/

PRtrifftJournalismus: »Zuckerbrot und Peitsche? – Debatte über präventive Anwaltsstrategien gegenüber Medien« am 27. November in der taz-Kantine

Diskussion mit: Daniel Moßbrucker, Journalist für die Themen Überwachung, Datenschutz & Internetregulierung und Ko-Autor der Studie für die Otto-Brenner-Stiftung »Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!« / Eva Werner, PR-Beraterin / Jan Mönikes, Rechtsanwalt und Partner der Anwaltskanzlei Schalast & Partner und Justiziar des Bundesverbands der Kommunikatoren (BdKom) / Peter Freitag,  Redakteur Rheinische Redaktionsgemeinschaft (RRG) von Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau und 1. Stellv. Vorsitzender des dju-Bundesvorstands / Christoph Nitz, meko factory und Mitglied des Vorstands DJV Berlin – Journalistenverband Berlin-Brandenburg e.V.

Veranstaltung der meko factory – Werkstatt für Medienkompetenz gemeinnützige GmbH in Kooperation mit der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion dju in ver.di, dem DJV Berlin – Journalistenverband Berlin-Brandenburg, der Landesgruppe Berlin-Brandenburg des Bundesverbands der Kommunikatoren (BdKom), dem Vodafone Institut, Landau Media und anderen.

Fotocredit: Christian v. Polentz für meko factory

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