Jacqueline Schäfer über gute Redner, die KfW-Fachkräftestudie und Wiener Schnitzel in der Austernbank

QUIZ

„Wenn ich mir überlege, in welcher Welt meine kleinen Kinder groß sein werden, kann ich manchmal nicht schlafen. Das treibt mich jeden Tag an.“

Herzlich willkommen

Liebe Leserinnen und Leser,

statt Wachstum, Wettbewerbsstärke und freies Unternehmertum, sind die Kernbegriffe im Jahreswirtschaftsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums jetzt Wohlstand und Wohlfahrt. Auch dafür passt der Begriff Zeitenwende. Mehr Subventionen und im Gegenzug eine engmaschigere Regulierung, um die Transformation der Wirtschaft zu bewältigen. Das ist das Angebot der Bundesregierung an die Unternehmen in Deutschland. Aber passt Wohlstand als zentraler Begriff für das BMWK? Ich meine nicht, denn dieser Begriff zielt auf ein gesellschaftspolitisches Ziel. Dagegen ist nichts einzuwenden. Nur sollte für das Bundeswirtschaftsministerium eigentlich die Weiterentwicklung der Wirtschaft im Vordergrund stehen.

Euer Matthias Bannas

In the Hood

Wöchentlich stellen wir Persönlichkeiten aus Berlin vor, befragen sie über das Stadtleben, Wirtschaft und die Politik in Berlin. Diese Woche haben wir mit Jacqueline Schäfer gesprochen. Sie ist Redenschreiberin für Politik und Industrie, Autorin (Ghostwriting) und Unternehmensberaterin mit den Schwerpunkten Führungskräftekommunikation, Krisenkommunikation und Mediencoaching.

Reden zu halten und Reden zu schreiben, das gehört nicht nur für neugewählte Bundestagsabgeordnete zum Alltag; es gehört bei vielen Jobs im politischen Berlin dazu. Was sollte ich als ersten Schritt tun, um dieser Herausforderung gerecht zu werden?

Wer redet, muss zunächst zwei Fragen beantworten: Was soll hängenbleiben? Und: Zu wem spreche ich? Egal, ob ich meine Rede selbst schreibe oder einen Profi engagiere – die Antworten helfen, die richtige Tonalität zu finden und zielgenau zu formulieren. Das klingt sehr einfach, doch ich erlebe immer wieder, dass sich viele damit schwer tun. Aber wenn ich als Rednerin oder Redner meine Überzeugung nicht mit wenigen Worten auf den Punkt bringen kann, werde ich auch andere nur schwer überzeugen können.

Was macht aus einem passablen Redner einen guten Redner?

Die Fähigkeit, mit dem Auditorium in den Dialog zu treten, auf Reaktionen – auch nonverbale – einzugehen und konstruktive Gefühle auszulösen. Redner sollten konsequent auf Schriftsprache verzichten. Der alte Spruch „kompliziert denken, einfach sprechen“ gilt immer noch. Deshalb muss ich konkret und bildhaft statt abstrakt sprechen. Wir würden „ich kam, ich sah, ich siegte“ heute nicht mehr kennen, wenn Caesar „nach erfolgter Ankunft und Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten einen Sieg davongetragen“ hätte.

Was ist Ihr Lieblingsort in Berlin-Mitte? Und warum ist er das?

Ich bekomme immer Gänsehaut auf dem Bebelplatz. Das Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung ist einerseits erschütternd. Auf der anderen Seite lehrt uns diese Geschichte, welche Macht von Worten ausgehen kann. Die Nazis konnten die Bücher zwar verbrennen, aber es ist ihnen nicht gelungen die Brüder Mann, Tucholsky, Feuchtwanger – um nur einige zu nennen – vergessen zu machen. Geist und Humanismus sind stark. Das sollten wir nicht vergessen.

Measure

Die Zukunft Europas hängt von der deutsch-französischen Zusammenarbeit ab: Am Montag dieser Woche vor 60 Jahren wurde der Élysée-Vertrag, auch bekannt als deutsch-französischer Freundschaftsvertrag, unterzeichnet. 1963 waren die Wunden des Zweiten Weltkriegs noch frisch, viele Franzosen und Deutsche konnten sich damals auch an den Ersten Weltkrieg erinnern. Der Vertrag sollte die jahrhundertealte Rivalität beider Länder beenden. Er verpflichtet Deutschland und Frankreich zur engen Zusammenarbeit in der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik und ist die Grundlage des oft zitierten deutsch-französischen Motors in der EU. Zwar hat sich die geopolitische Realität seitdem verändert – das französische Kolonialreich hat sich endgültig aufgelöst, der kalte Krieg ist beendet, beide Länder sind fest in der Eurozone verankert, in der es neue komplexe Kräfteverhältnisse gibt. Trotzdem bleibt die Zusammenarbeit Deutschlands mit Frankreich weiterhin wichtig für Europa, so sehen es zumindest acht von zehn Franzosen und Deutsche (81%) laut einer repräsentativen Umfrage von Ipsos und der Heinrich-Böll-Stiftung. Energiekrise, Verteidigung und Sicherheit sowie der Klimawandel gehören zu den zentralen Herausforderungen, bei deren Lösung sich Deutsche und Franzosen eine Kooperation beider Länder wünschen. Leider sind 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und Frankreich der Meinung, dass sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern in der jüngsten Vergangenheit verschlechtert haben. Tatsächlich war das Verhältnis im Herbst 2022 auf Grund politscher Differenzen recht verstimmt. Jedoch heißt es in dem jüngsten außenpolitischen Eckpunktepapier der SPD mit dem Titel „Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch“, dass die deutsch-französische Partnerschaft eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung zu einer souveränen EU zukommt. Olaf Scholz beschwor am Montag während der 60. Jubiläumsfeierlichkeiten in der Sorbonne in Paris „geschwisterliche Zuneigung“. Es ist also gut möglich, dass es sich bei dem Élysée-Vertrag wirklich um einen „Jahrhundertvertrag“ handelt. (RG) Die Daten finden sie hier: 60 ans après le traité de l’Elysée, un moteur franco-allemand toujours jugé indispensable par les citoyens des deux rives du Rhin | Ipsos

Read

„Influencerin Baidaa S. postete Bilder aus deutschen Städten. Plötzlich zeigt sie der «Spiegel» in schäbigen Kleidern, als Hauptfigur eines Flüchtlingsdramas“: Lucien Scherrer und Forrest Rogers haben sich für die NZZ eine Geschichte des Spiegels zum Umgang mit Flüchtlingen an der EU-Außengrenze genauer angeschaut. Der Spiegel hatte zugegeben, einer Falschmeldung aufgesessen zu sein. Die Autoren zeigen, wie leicht die Fälschung vor der Veröffentlichung der Geschichte zu erkennen gewesen wäre. Die Protagonistin war sehr gut im Internet sichtbar. Es gab in den letzten Jahren viele Berichte über illegale Pushbacks an den EU-Außengrenzen. Immer wieder ist die EU-Grenzagentur Frontex in berechtigte Kritik geraten. Dieser Artikel macht deutlich, wie wichtig es ist, dass Journalisten gerade bei sensiblen Themen sauber arbeiten, ansonsten geht viel Vertrauen verloren. Das erschwert politische Lösungen bei diesen Themen. Der Arbeit vom Spiegel ist ein Negativbeispiel. (MB)

Listen

Berlin-Wahl-Check vom Stimmenfang Podcast: Marius Mestermann und Ann-Kathrin Hipp plaudern im Stimmenfang Podcast vom Spiegel über Mobilität, Wohnungsmangel und Innere Sicherheit. Das sind vermutlich die aufmerksamkeitsstärksten Themen bei der Berlin Wahl; vielleicht gehören Klimaschutz und Bildung noch dazu? Sie bilden beim Wohnungsmangel und der Sicherheit sehr gut den Stand der öffentlichen Debatte ab. Mir fehlt aber eine klare politische Einordnung. Da wäre vermutlich Gunnar Schupelius von der BZ der bessere Gast gewesen? Und zwar um herauszuarbeiten, wie sich die Lösungsvorschläge des amtierenden Senats von denen der Opposition unterscheiden. (MB)

BDWi-Talk zur Berlin-Wahl mit Sebastian Czaja: Am 12. Februar 2023 entscheiden auch Unternehmerinnen und Unternehmer, wer Berlin in den nächsten Jahren regiert. Eine gute Wirtschaftspolitik ist für die Zukunft der Stadt unerlässlich. Können Dienstleister ihre Kunden in der Innenstadt mit dem Auto erreichen? Gelingt die Integration von Zuwanderern in den Berliner Arbeitsmarkt? Bekommen wir endlich eine effektive Verwaltung? Darüber und über weitere Themen aus den „BDWi-Eckpunkten zur Abgeordnetenhauswahl“ möchten wir mit Sebastian Czaja, Spitzenkandidat der Berliner FDP, und mit Ihnen diskutieren. Die Veranstaltung findet am 1. Februar 2023, von 12:00 bis 13:00 Uhr, beim BDWi in Berlin-Mitte statt. BDWi-Bundesgeschäftsführer Ralf-Michael Löttgen moderiert. Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, freuen wir uns auf Ihre verbindliche Anmeldung bis zum 31. Januar 2023. Schreiben Sie dafür bitte eine formlose E-Mail an die Adresse: bannas@bdwi-online.de. Ablauf: Einlass ab: 11:30 Uhr / ein Imbiss steht für Sie bereit / Talk mit Sebastian Czaja von 12.00 bis 13:00 Uhr / Ausklang ab: 13:00 Uhr

Watch

„Bonn – Alte Freunde, neue Feinde“: Es ist eigentlich schön, wenn Politik und Geschichte in Serienformaten aufgegriffen werden, die erkennbar für ein großes Publikum im Auftrag von öffentlich-rechtlichen Medien produziert werden. Die in der ARD-Mediathek laufende Serie Bonn ist mir ein Stück zu viel Räuberpistole. Es ist richtig, zahlreiche Nazis haben nach dem zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland Karriere gemacht. Die Justiz hat viele Kriegsverbrecher nicht angemessen abgeurteilt. Aber einen Putschversuch hat es nicht gegeben. Ich bin ein Freund künstlerischer Freiheit. Aber sollten sich Geschichten mit einer politischen Botschaft nicht enger an der Wahrheit orientieren? (MB)

Learn

“Political Targeting, Strategic Communication, and Democracy, with Prof. Sanne Kruikemeier”: Targeting auf Social Media genießt in Deutschland nicht den allerbesten Ruf. Das wird von einer Studie Sanne Kruikemeiers erneut bestätigt. In dem aktuellen Social Media and Politics Podcast von Michael Bossetta werden zwei ihrer Studien diskutiert. Besonders interessant finde ich die Studie zu Gesprächen mit Politik-Kommunikationsexperten aus 6 ausgewählten Ländern. Ein einfaches und naheliegendes Take-away ist die Ermittlung von Standortdaten. Diese können beim Wahlkampf vor Ort die entscheidende Rolle spielen. Der Podcast ist Inspiration für die Auseinandersetzung mit dem Thema Targeting. Wer lieber lesen möchtet, findet die diskutierten Studien in den Show-Notes. (MB)

Know

„Zeitenwende durch Fachkräftemangel: Die Ära gesicherten Wachstums ist vorbei“: Martin Müller hat in einer aktuellen KfW-Studie in verschiedenen Szenarien 3 Stellgrößen zur Erhöhung des Fach- und Arbeitskräfteangebots in Deutschland genauer betrachtet. Diese sind eine höhere Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung, Zuwanderung und eine Steigerung der Arbeitsproduktivität. Der Charme der Studie ist ihre Konstruktivität. Es wird für alle Stellgrößen ermittelt, wie stark diese jeweils wachsen müssten, um die Lücke am Arbeitsmarkt vollständig zu schließen. Dafür werden immer geeignete Maßnahmen diskutiert. Die Lösung des Problems kann nur eine Kombination aus Maßnahmen für verschiedene Stellgrößen sein. Das Problem an sich ist aber nicht unlösbar; politischer Wille vorausgesetzt. Hier könnt Ihr die Studie lesen. (MB)

Follow

Jennifer Wilton: Wilton ist Chefredakteurin der Welt. Auf ihrem Twitter-Profil findet Ihr eine fein-kuratierte Auswahl von Berichten zu aktuellen politischen Debatten; oft geht es um Frauen in Führungspositionen. Wer mehr von ihr lesen möchte, dem sei dieses Interview zum Selbstverständnis der Welt empfohlen. (MB)

Attend

Berlin-Wahl: Sascha Lobo trifft auf die Spitzenkandidaten: Der etwas andere Wahl-Talk findet am Freitag, 3. Februar, 18:00 – 19:00 Uhr, im Basecamp statt. Dieses findet Ihr in der Mittelstraße 51 – 53, 10117 Berlin. Trotz des Freitags dürften die Präsenz-Tickets schnell vergriffen sein. Also meldet euch hier umgehend an; einen Stream wird es aber auch geben. (MB)

Been there

Sprechstunde mit Thorsten Frei MdB, erster parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Deutschland ist auf Migration in den Arbeitsmarkt angewiesen“, das machte Thorsten Frei MdB, erster parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, klipp und klar beim Sprechstunde-Talk mit Christoph Nitz deutlich. Man dürfe aber Fachkräfteeinwanderung und Flucht nach Deutschland nicht vermischen. Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt sei eben nicht gelungen. Zwei Drittel aller Flüchtlinge aus Syrien haben im letzten Jahr ganz oder überwiegend von Hartz-4 gelebt. Eine Nettozuwanderung von 400.000 bis 700.000 pro Jahr, wie sie in einigen Studien, aber auch von Teilen der Wirtschaft gefordert wird, ist aus seiner Sicht zu hoch. Bei so hohen Zahlen würde Integration nicht funktionieren. Grundsätzlich koste Integration Geld. Frei sprach sich dafür aus, auch die Potenziale an Arbeits- und Fachkräften in Deutschland zu heben. Für die 2,4 Millionen arbeitsfähigen Arbeitslosen gebe es 1,9 Millionen offene Stellen. Das lässt sich nicht eins zu eins übertragen. Man müsse aber mehr Aufwand betreiben und nicht den Weg des geringsten Widerstands gehen. Neben dem Fachkräftemangel kamen zahlreiche weitere Themen zur Sprache. Unterstützt wird die Veranstaltungsreihe Sprechstunde von: Ständiger Vertretung StäV Berlin, StäV Konzept- und Lizenzbüro, Studio Schiffbauerdamm, Landau Media, berlinbubble und dem OSI Club. Demnächst findet Ihr ein Video des Gesprächs auf dem YouTube-Kanal der Berliner Wirtschaftsgespräche.: https://www.youtube.com/@berlinerwirtschaftsgesprac8892/videos (MB)

Eat and drink

Die Austernbank: Wer einen abgeschlossenen Raum in Mitte für einen politischen Event für 30 Personen sucht und auch ein bisschen Budget hat, sollte sich mal die Austernbank anschauen. Der Raum hat Charme, es braucht keine Mikros für die Reden, dass Essen stimmt und das Team macht einen guten Job. Das zeigt sich daran, dass es möglich ist, mehr als 20 auf den Punkt gegarte Wiener Schnitzel zeitgleich zu servieren. Hier findet Ihr alle Infos und bei Bedarf die erforderlichen Kontaktdaten.

Foto von Jürgen Sendel / Event vom Internationalen Wirtschaftsrat IWR

Buy

„Tage voller Zorn“ von Tuomas Oskari: Wenn Ihr Lust habt, einen Politiktriller zu lesen, der das politische System Finnlands als Hintergrund nutzt, liegt mit dem neuen Oskari-Roman ein schick-gestalteter Hardcover-Band vor. Gut gefällt mir, dass der Autor eine Spaltung der Gesellschaft als Aufhänger nutzt und die konkurrierenden Parteien in einer Kommunismus- und in einer Kapitalismus-Ecke anordnet. Ein bisschen platt ist das Schattenkabinett aus gierigen und skrupellosen Unternehmern. Bei der Nutzung klassischer Pulp-Elemente ist der Autor schmerzfrei. Er tut sich aber mit dem Spannungsaufbau schwer. An, zum Beispiel Stig Larson, kommt er nicht heran. Mehr zum Roman findet Ihr hier bei dem Verlag Bastei Lübbe. (MB)

Work

Referent:in (m/w/d) für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Centre for Planetary Health Policy, Referent:in für Mitgliederaktivierung in Teilzeit (m/w/d) bei D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e.V., (Senior) Consultant in Berlin (m/w/d) bei Agora Strategy Group AG, Leitung Wirtschafts- und Industriepolitik (m/w/d) bei ZIV – Die Fahrradindustrie, Senior Expert Politische PR (w/m/d) bei Klenk & Hoursch
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Quiz-Auflösung

Katharina Dröge MdB, Fraktionsvorsitzende der Grünen, im Spiegel-Streitgespräch mit Luisa Neubauer / N. 4, Seite 26