Kein Wirtschaftszweig steht vor ähnlich anspruchsvollen Herausforderungen wie der Luftverkehr. Nach dem Corona-Stillstand steigen die Passagierzahlen nur langsam wieder an. Die Lufthansa fliegt mit einer Auslastung von allenfalls 25 Prozent. 50 Prozent wären erforderlich, um aufkommensneutral zu fliegen. Jeden Monat verliert das Unternehmen 500 Millionen Euro. Wenn die Corona-Krise vorbei ist, wird es allen Fluggesellschaften schwerfallen, die angehäuften Verluste durch einen Ausbau des Geschäftsbetriebes abzubauen. Die politischen Signale deuten in Richtung weniger Flugverkehr, mit dem Ziel das Klima besser zu schützen. Nichtsdestotrotz: „Die Lufthansa wird die Pandemie überleben“, so CEO Carsten Spohr.
Im Rahmen des Panels „Umweltschutz und Luftverkehr – ein Widerspruch?“ beim TDI 2020 (Tag der Industrie) diskutierte Carsten Spohr (CEO, Deutsche Lufthansa AG) mit Cem Özdemir MdB (Vorsitzender, Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur im Bundestag) und Prof. Dr. Karen Pittel (Leiterin, ifo Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen) über den Luftverkehr.
Synthetische Kraftstoffe / eFuels
Die Beimischung von synthetischen Kraftstoffen im Luftverkehr sei eine gute Idee, erklärte Spohr. Allerdings seien die Kosten für synthetische Kraftstoffe vier- bis fünfmal so hoch wie für konventionelle Kraftstoffe. Hinzu käme das Problem der Verfügbarkeit. Das Angebot an synthetischen Kraftstoffen sei viel zu gering. Özdemir machte deutlich, dass man die synthetischen Kraftstoffe brauche. Er schlug vor, diese aber ausschließlich im Flug- und Transport-Verkehr einzusetzen. Bei PKWs sei batteriebetriebene Elektromobilität die bessere Lösung. Bei der Produktion von synthetischen Kraftstoffen solle man auf die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen setzen und dort investieren.
Voraussetzung für die Produktion synthetischer Kraftstoffe ist die Verfügbarkeit großer Mengen erneuerbarer Energie. Das ist in den ehemaligen Kohlerevieren nicht gegeben. Viel sinnvoller wäre es, die Produktion dieser Kraftstoffe mit Entwicklungshilfeprojekten zu verknüpfen. Es gibt unter anderem in Nordafrika viele geeignete Produktionsstandorte. Deutschland importiert auch heute den größten Teil seines Energiebedarfes. Darum ist es unproblematisch, wenn dieses auch in Zukunft der Fall ist.
Özdemir liegt auch mit seiner Verknüpfung des PKW-Verkehrs mit batteriebetriebener Elektromobilität falsch. In Deutschland und weltweit ist der Bestand an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren riesengroß. Diese Fahrzeuge können auch mit synthetischen Kraftstoffen gefahren werden und müssten darum nicht sofort ersetzt werden. Hinzu kommt, dass in Deutschland viele Arbeitsplätze von Verbrennungsmotoren abhängig sind. Das Knowhow ist viel zu wertvoll, um sich von der Technologie zu verabschieden. Auch der Luftverkehr würde profitieren, wenn PKWs nicht von synthetischen Kraftstoffen ausgeschlossen werden. Der Markt für diese Kraftstoffe wird dann insgesamt viel größer und demzufolge viel attraktiver und effektiver.
CO²-Bepreisung
„Sie können heute schon so gut wie CO²-neutral fliegen.“ Spohr weist darauf hin, dass es möglich ist, den durch das Fliegen verursachten CO²-Fußabdruck zu kompensieren. Davon mache aber nicht einmal jeder tausendste Kunde Gebrauch. Die Kunden sind sehr preisorientiert.
Die CO²-Bepreisung erschwert Ausweichreaktionen. Der damit verbundene Preisanstieg wird aber von vielen Menschen Ablehnung erfahren und eröffnet damit Spielraum für Parteien, die sich für eine Rücknahme der CO²-Bespreisung stark machen werden. Pittel und Özdemir sprachen sich für die CO²-Bepreisung im Luftverkehr aus. Fliegen müsse teurer werden.
Pittel erklärte, dass CO² nicht das einzige vom Luftverkehr verursachte Klimaproblem sei. Hinzu kommen Kondensstreifen und andere Effekte.
Wettbewerbsverzerrungen
Eine Beimischungspflicht für synthetische Kraftstoffe im Flugverkehr – nur in Deutschland oder nur in Europa – würde den Wettbewerb verzerren. Es entstünde ein Anreiz für Kunden die höheren Kosten durch einen Umstieg im Ausland zu umgehen. Das gelte analog für die CO²-Bespreisung, so Spohr.
Die Umsteigeverbindungen sind entscheidend, um internationale Flüge zu verkaufen. 2/3 aller innerdeutscher Flüge sind Umsteigeverbindungen. Damit läuft die Kritik von Özdemir an zu vielen innerdeutschen Flügen ins Leere.
Özdemir kritisiert die Subventionierung vieler Regionalflughäfen. Davon würden Billigfluggesellschaften profitieren. Auch dadurch werde der Wettbewerb zu Lasten der Lufthansa verzerrt. Da hat er vermutlich einen Punkt. Ich bezweifele aber, dass die Kunden anstatt eines Billigfluges einen teuren Linienflug buchen würden.
Bahnverkehr und innerdeutsche Flüge
Spohr forderte die bessere Anbindung von Flughäfen an den Bahnverkehr. Ein Negativbeispiel sei der Flughafen München. Innerdeutsche Flüge müssen durch Bahnverkehr ersetzt werden, forderten Özdemir und Pittel.
Matthias Bannas
Das komplette Panel ist auch auf dem YouTube-Kanal des BDI zu sehen; ab 4,20 https://www.youtube.com/watch?v=4pp88uUvQTY .