Lobbying und Corona – MSL Public Affairs Umfrage 2020
Axel Wallrabenstein von MSL / Fotocredit: Tobias Koch für meko factory
Axel Wallrabenstein von MSL / Fotocredit: Tobias Koch für meko factory

Corona hat den Berliner Politikbetrieb umgekrempelt. Lobbying bzw. Public Affairs war von einem Tag auf den anderen nur noch über das Telefon und digitale Kanäle möglich. Dabei hat die Bundesregierung zeitgleich Milliardenprogramme aufgelegt, um die Wirtschaft zu stützen. Auch bei den politischen Veranstaltungen war plötzlich alles anders. Aus Präsenzveranstaltungen wurden digitale Events und später hybride Events. Trotzdem ist für Lobbyisten das persönliche Gespräch immer noch das mit Abstand wichtigste Instrument zur Kontaktpflege. Das zeigt die aktuelle Public-Affairs-Umfrage von MSL.

Diese wurde im Rahmen der von Christoph Nitz organisierten Veranstaltungsreihe young+restless im Basecamp vorgestellt und diskutiert. Beteiligt waren: Philippe Gröschel (Head of Government Relations bei Telefónica Deutschland), Christoph Moosbauer (Managing Director MSL Group Germany), Julia Fritz (Junior Consultant MSL Group Germany), Axel Wallrabenstein (Chairman MSL Group Germany), Yola Kiwok (Sustainability Department H&M), Eva-Maria Kirschsieper (Director of Public Policy (DACH) Facebook Germany). Moderiert hat Diana Scholl (Leiterin Mittelstandsallianz, politische Netzwerke und Strategie, Politik und Volkswirtschaft BVMW).

Methodik der MSL-Umfrage

MSL führt die Umfrage seit 20 Jahren durch. Die Fragebögen werden jedes Jahr an rund 360 Public-Affairs-Verantwortliche aus unterschiedlichen Branchen versendet. Die Rücklaufquote liegt zwischen 15-20 Prozent. An der Umfrage nehmen zwischen 50 und 70 Personen teil.

Damit taugt die Umfrage für ein gutes Stimmungsbild. Sie genügt aber nicht den Ansprüchen an eine valide, quantitative Untersuchung. Das muss jeder berücksichtigen, der die Zahlen interpretiert.

Lobbying und Corona

Viele politische Gespräche haben in den letzten Monaten als Videokonferenz stattgefunden. Das könnte auch in Zukunft Bestand haben. Für ein einstündiges Gespräch nach Brüssel fliegen oder den ganzen Tag mit der Bahn in eine Landeshauptstadt reisen? Das werden auch weiterhin viele Lobbyisten tun. Schließlich ist die Wertschätzung für persönliche Gespräche immer noch viel größer als für Videokonferenzen. Es werden aber zusätzlich mehr Videokonferenzen stattfinden als in den letzten Jahren.

Gröschel wies darauf hin, dass in den letzten Monaten auch beim Austausch mit Landesregierungen Videokonferenzen möglich waren. In der Vergangenheit wurde solche oft kategorisch abgelehnt. Auch in meiner Arbeit waren Videokonferenzen – zum Beispiel mit der Dienstleistungsabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums – Alltag und haben sich bewährt.

Infos zur Tages- und Branchenpolitik, woher?

Um sich am Morgen allgemein- oder branchenpolitisch zu informieren, spielen E-Mail-Newsletter und Online-Medien für die Befragten die Hauptrolle. Knapp dahinter folgt der Pressespiegel. Rund die Hälfte setzt auf Social-Media. Eine mögliche Erklärung dafür ist die Nutzung des Mobiltelefons. Genau darauf sind alle gutgemachten Newsletter optimiert. 

Politische Kontaktpflege

Das persönliche Treffen wird von allen Befragten zur politischen Kontaktpflege genutzt. Knapp dahinter folgt das Telefongespräch. Beides ermöglicht direkte Kommunikation, stärkt aber auch zusätzlich die Beziehung zum Gesprächspartner. Das gilt auch für die vielen politischen Veranstaltungen und die Parteitage. Diese sind in den letzten Monaten größtenteils ausgefallen. Es gilt auch für Social Media. Social-Media nutzt aber nur die Hälfte der Befragten. Viel stärker werden Videokonferenzen genutzt. Diese sind geeignet, um Themen zu diskutieren, die Beziehungsebene kommt aber zu kurz.

Die Befragung zur Kontaktpflege zeigt sehr gut, dass Lobbying ein hohes Maß an sozialer Intelligenz voraussetzt. Wer ein/e gute/r Gesprächspartner/in ist, wird auch erfolgreich sein.

… und die Social-Media-Pattformen

Twitter hat sich als beliebteste Social-Media-Plattform der Berliner Politik- und Medienblase etabliert. Es wird von nahezu allen Befragten genutzt. Das gilt jetzt auch für die Karriereplattformen LinkedIn und Xing. Hier eröffnet sich ein neues Spielfeld für politische Kommunikation. Da die Plattformen auf berufliche Vernetzung setzen, sind Wirtschafts- und Politikthemen keine Fremdkörper. Das ist ein Anreiz für Politiker, Unternehmen und Verbände hier passgenauen Content anzubieten. Hinzu kommt eine bessere Diskussionskultur, weil alle Nutzer eindeutig in ihrem beruflichen Kontext zu identifizieren sind.

Allerdings müssen beim Betrieb von Accounts für die politische Kommunikation Absender, Thema und Zielgruppe zusammenpassen. Wallrabenstein rät politischen Akteuren genau zu prüfen, welche Plattform am besten zu ihnen passt und diese dann gezielt zu bespielen. Wenn es um die Erreichbarkeit der breiten Bevölkerung geht, ist Facebook immer noch ungeschlagen. Auch dort – zum Beispiel in den Gruppen – sind gute Diskussionen möglich, machte Kirschsieper deutlich.

Wie suche ich eine Agentur aus?

In einer Public Affairs Umfrage einer Agentur darf natürlich auch das Thema Agenturauswahl nicht fehlen. Wichtigstes Auswahlkriterium der Befragten ist die Vernetzung der Agentur mit relevanten Entscheidungsträgern. Da ist MSL – wenn ich die Kommunikation der Agentur Revue passieren lasse – nicht ganz schlecht aufgestellt.

Einschätzung der Parteien und der Bundesregierung

Hier tue ich mich mit den Ergebnissen auf Grund der Methodik der Umfrage schwer. Wenn politische Aussagen getroffen werden, sollte die verwendete Methodik den einschlägigen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Auffälligstes Ergebnis ist die gute Bewertung der Arbeit der großen Koalition. Das war in der Umfrage des letzten Jahres noch ganz anders. „Das Vertrauen in die Groko ist auf Grund des Krisenmanagements gestiegen“, so Moosbauer. Die Erklärung ist schlüssig, schließlich hat die Bundesregierung in den letzten Monaten die Wirtschaft mit Milliardensummen gestützt. Das ist bei den Vertretern der Wirtschaft gut angekommen.

Bei der Einschätzung der Parteien wird deutlich, dass CDU und CSU besonders positiv beurteilt werden. Sie sind zum einen Regierungspartei und entscheiden so über Gesetze, Investitionen und Subventionen und außerdem positionieren sie sich als Partei der Marktwirtschaft. Das zahlt sich zusätzlich bei der Beurteilung der Wirtschaftskompetenz aus. Es überrascht nicht, dass auch der FDP eine hohe Wirtschaftskompetenz zugewiesen wird, im Gegensatz zu den Grünen, die keiner der Befragten für die Partei mit der größten Wirtschaftskompetenz hält. Es ist interessant, dass den Grünen dennoch eine bessere Oppositionsarbeit als der FDP attestiert wird. Die Zusammenarbeit mit der SPD wird von vielen geschätzt.   

Viele Wirtschaftslobbyisten, mit denen ich in den letzten Monaten gesprochen habe, werden sich in den Ergebnissen dieser Umfrage wiederfinden. Offen bleibt für mich die Frage, was eine Regierungsbeteiligung der Grünen für die Wirtschaft bedeutet.

btw21 – wer gewinnt?

„Die Groko ist krisenerprobt, hat aber nicht den Drive für die Zukunft“, meint Gröschel. Wallrabenstein geht davon aus, dass Armin Laschet CDU-Chef werden wird, Annalena Baerbock die Spitzenkandidatur der Grünen übernimmt und wir im nächsten Jahr eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene bekommen werden. Das ist nicht abwegig. Aber kann es in der Konstellation eine gute Wirtschaftspolitik geben? In diesem Punkt ist die Umfrage ziemlich eindeutig.  

Matthias Bannas

Hier könnt Ihr das Video der Veranstaltung anschauen: https://www.youtube-nocookie.com/embed/oTSk6qXzun8?start=835

Mehr berlinbubble lesen?

Auf LinkedIn: https://www.linkedin.com/company/berlinbubble

Fotocredit: Tobias Koch für meko factory

Melden Sie sich bitte hier für unseren kostenlosen, wöchentlichen Newsletter an:

podcasts

topics