Wolfgang Ainetter zu Lügen und Pressesprechern, Umfragemethoden im Praxistest und ein Croque Madame zum Frühstück

QUIZ

„Auf meinen Veranstaltungen wird häufiger die Frage gestellt, könnt ihr verhindern, dass wir in den 3. Weltkrieg rutschen, als die Frage, wann liefern wir endlich Taurus.“

Herzlich willkommen

Liebe Leserinnen und Leser,

auf Twitter reagierte der Volksverpetzer ein wenig gekränkt, weil wir Union und FDP seinen Feindbildern zugerechnet haben – war nicht so gemeint. Freundschaft? Wenig Freundschaft gibt es aktuell zwischen Regierung und Opposition. Dabei gäbe es – mal abgesehen von einer Reform der Schuldenbremse – dass eine oder andere Projekt zur Stärkung der Wirtschaft, wo man nicht weit auseinander ist. Das geht aber nur, wenn sich die Regierung vorab passgenau auf Reformen einigt, die für die Union zustimmungsfähig sind.
Euer Matthias Bannas

In the Hood

Wöchentlich stellen wir Persönlichkeiten aus Berlin vor, befragen sie über das Stadtleben, Wirtschaft und die Politik in Berlin. Diese Woche haben wir mit Wolfgang Ainetter gesprochen. Er ist Journalist, Buchautor und Social-Media-Stratege. Von 2018 bis Anfang 2021 war er Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Sein Ministeriumskrimi „Geheimnisse, Lügen und andere Währungen” erscheint am 7. März beim Haymon Verlag.

Geheimnisse und Lügen stecken in dem Titel deines ersten Kriminalromans. Wie gelingt es Pressesprechern, Geheimnisse nicht auszuplaudern und dabei nicht zu lügen?

In meinem satirischen Ministeriumskrimi gibt es ein Kapitel, das heißt: „Schweigen – oder es ist zu spät.“ Ein Regierungssprecher erklärt dem ermittelnden Kommissar seinen Job folgendermaßen: „Ich finde, das Fairplay im Umgang mit Journalisten erfordert es, dass man sich nicht gegenseitig die Zeit stiehlt. Und ich gebe den fragenden Journalisten immer sehr bald und sehr schnell und sehr eindeutig zu erkennen, dass man zu einer bestimmten Frage schweigen muss. Das akzeptieren sie auch. Man bringt sich selbst in Schwierigkeiten, wenn man über eine Sache, über die man eigentlich schweigen sollte, dennoch anfängt zu reden und erst nach der dritten Antwort merkt, dass man eigentlich hätte schweigen müssen. Dann ist es zu spät. Dann machen sich die Journalisten einen Sport daraus, einen Regierungssprecher über den Tisch zu ziehen.“

Dein Kommissar ist genau wie Du Österreicher. Was ist der auffälligste Unterschied zwischen der Wiener und der Berliner Politikblase?

Wien hat zwar 2 Millionen Einwohner, ist aber ein politisches Dorf, in dem jeder jeden kennt. Gefühlt sind alle miteinander per Du, sogar Politiker und Journalisten. Ich glaube, dass es an dieser gefährlichen Nähe liegt, dass das kleine Österreich bei weitem mehr politische Skandale hat als das zehnmal so große Deutschland, Stichwort Ibiza-Affäre, Chat-Protokolle über Postenschacher, steuerfinanzierte und manipulierte Meinungsumfragen oder betrunkene Personenschützer. In Berlin läuft der Politikbetrieb in meinen Augen weit professioneller ab, wobei auch deutsche Protagonisten reichlich Stoff für Satire hergeben.

Was ist dein Lieblingsort in Berlin-Mitte und warum ist er das?

Ich mag so viele Orte in Berlin-Mitte, die alle in meinem Buch vorkommen: das „Borchardt“, dieses Wohnzimmer der Wichtigen und Wichtigtuer, den „China Club“ mit der vielleicht größten VIP- und Angeber-Dichte, den Zollpackhof, wo Abgeordnete in meinem Krimi „Hoch die Hände, Sitzungsende!“ grölen, oder das spanische Restaurant „Volver“, in dem mein Kommissar mit seinem Kumpel viel zu viel Rioja trinkt – aber mein Lieblingsort ist die Jungfernbrücke, die älteste noch erhaltene Brücke Berlins. Diese wunderschöne Brücke, die sich in unmittelbarer Nähe des Auswärtigen Amtes befindet, hat viele Geschichten zu erzählen und ist so herrlich unbeeindruckt von der schnelllebigen Politik.

Hintergrund-Talk mit Mario Voigt, Fraktions- und Landesvorsitzender der Thüringer CDU, am 22.03.2024, 14:30 – 16:00 Uhr, in Berlin-Mitte – wer Interesse an einer Teilnahme hat, schreibt eine formlose Mail an bannas@bdwi-online.de.

Measure

Amerikaner besorgt über Extremismus, kann Biden damit punkten? Donald Trump konnte in den letzten Wochen wichtige Erfolge im Vorwahlkampf erzielen. So holte er in Michigan wohl 67 Prozent der Stimmen der Republikaner, davor war er bereits in Iowa, New Hampshire und South Carolina erfolgreich. Für die einzige verbleibende Gegenkandidatin Nikki Haley war der Verlust der Vorwahl in South Carolina besonders schmerzhaft, sie war in dem US-Bundesstaat für die Dauer von zwei Amtszeiten Gouverneurin. Nach dem Rückschlag sprach sich dann auch die von dem konservativen Milliardär Charles Koch unterstützte Gruppe „Americans for Prosperty Action“ gegen eine weitere Finanzierung von Haleys Kandidatur aus. Das scheint diese jedoch wenig zu beeindrucken. CNN kommentierte kürzlich: “[Haley’s] insistence on staying in the race puts her in a rarefied position: the losing candidate who won’t quit. No other major, modern candidate has refused to drop out of the race after so many losses”. Trotzdem werden Haleys Chancen zunehmend dünner und ein Rematch zwischen Donald Trump und dem amtierenden Präsidenten Joe Biden immer wahrscheinlicher. Dabei herrscht laut einer Ipsos Umfrage unter den Amerikanern Unzufriedenheit mit ihrer Auswahl an Spitzenkandidaten – 59 Prozent sind der Auffassung, dass sowohl Joe Biden als auch Donald Trump zu alt für eine weitere Amtszeit im Oval Office sind. Momentan hält Donald Trump mit 36 Prozent einen soliden Vorsprung vor Joe Biden (30%), sollte es zu einem direkten Showdown kommen. Eine Hoffnung besteht jedoch noch im Camp der Demokraten: Nach Ipsos-Daten ist Extremismus für 21 Prozent der Amerikaner das Politikfeld, das ihnen die größten Sorgen bereitet (gefolgt von der Wirtschaft mit 19%). Es ist der amtierende Präsident Joe Biden, dem viele Amerikaner hier die größere Kompetenz zuschreiben: insgesamt sind 34 Prozent der Amerikaner der Meinung, dass Biden im Umgang mit Extremismus die bessere Politik vertritt als sein Herausforderer Donald Trump (31%). Es bleibt also spannend. Übrigens geht die konservative Gruppe „Americans for Prosperty Action“ bei einer Kandidatur Trumps von einem Sieg der Demokraten aus. (RG) Die Daten finden Sie hier: Billionaire-backed Koch network to stop funding Nikki Haley after defeat / Exclusive-Extremism is US voters’ greatest worry, Reuters/Ipsos poll finds (msn.com)

Read

Das Berlin Playbook von Politico: Nun habe ich einige Ausgaben des Politik-Newsletter-Neuzugangs gelesen. Ich bin immer noch hin und hergerissen. Gut gefällt mir das klare Design ohne Schnick-Schnack, dass ich auch aus den anderen Politico-Newslettern kenne. Inhaltlich werden mehrere Themen des Tages behandelt, ergänzt durch kürzere News. Dabei gibt es immer mal wieder das eine oder andere neue Detail. Das ist hilfreich für alle, die im politischen Berlin unterwegs sind. Vom Schreibstil her ist es etwas nüchterner als der Newsletter aus Brüssel. Was mir grundsätzlich noch fehlt, ist das Alleinstellungsmerkmal, um genau diesen Newsletter vorrangig auf dem Weg zur Arbeit zu lesen. Beim Politbriefing bekomme ich zum Beispiel einen soliden politischen Gesamtüberblick. Hier könnt Ihr das Playbook abonnieren. (MB)

Listen

„Wirtschaftslage / Keine Zeit für Streit“: Ich möchte euch mal wieder auf eine Politikpodcast-Folge vom Deutschlandfunk hinweisen. Volker Finthammer, Jörg Münchenberg und Dorothee Holz diskutieren über den Wirtschaftsreformstreit in der Regierung und zwischen Regierung und Opposition. Zur Sprache kommt auch die Rolle der Wirtschaftsverbände. Kommunizieren Wirtschaftsverbände ausschließlich in Richtung Politik oder haben sie auch Impact in Richtung ihrer Mitglieder? Das haben sie schon. Den größten Einfluss haben sie, indem sie informieren und inspirieren. Und wer Jahreshauptversammlungen und Arbeitskreissitzungen von Verbänden besucht, wird erleben, dass dort ganz offen und mit viel Engagement um bessere wirtschaftliche Lösungen auf der Unternehmensseite gestritten wird. (MB)

Watch

„Politikum Wolf – schießen oder schützen?“ – eine Doku von Michael Nieberg: Während die Diskussion um die Wiederausbreitung der Wölfe in den Großstädten so nebenbei geführt wird, wird sie im ländlichen Raum von betroffenen Landwirten und Dorfbewohner auf der einen Seite und Naturschützern auf der anderen Seite mit aller Härte geführt. Nieberg gelingt es mit dieser Doku  die Emotionen und die Betroffenheit abzubilden. Es wird deutlich, dass es Themen gibt, die dazu führen, dass Menschen nur Parteien wählen, die die weitreichendste Lösung anbieten. Dabei zeigt der Beitrag sogar einen möglichen Kompromiss auf. Was mir in der Doku fehlt, ist ein konkreter Abstecher in die Gesetzgebung. Auf welcher Ebene können Gesetze geändert oder Entscheidungen getroffen werden, die sich auf die Reduzierung oder den Erhalt des Bestands an Wölfen auswirken? (MB)

Learn

Digitale Helfer – die Toolbox von Daniel Florian: Ich finde es immer wieder hilfreich zu erfahren, mit welchen Tools im politischen Berlin gearbeitet wird. Einen aktuellen Überblick erhaltet Ihr in diesem Blogpost von Daniel Florian. Hängengeblieben ist bei mir insbesondere die Notizlösung Obsidian. Aktuell nutze ich die telefoneigene Notizen-App, aber da ist ja vielleicht noch Spielraum nach oben? (MB)

Know

„Online, offline oder beides? / Umfragemethoden im Praxistest – welche Methode liefert vertrauenswürdige, repräsentative Ergebnisse?“ Dominik Hirndorf und Dr. Sabine Pokorny haben für die Konrad Adenauer Stiftung ein interessantes Experiment durchgeführt. Sie haben verschiedene Markt- und Meinungsforschungsinstitute beauftragt für identische Fragen verschiedene Befragungsmethoden anzuwenden. Zum Einsatz kamen zwei reine Online-Stichproben, drei Mixed-Mode-Stichproben und eine reine Telefonstichprobe. Auffällig ist, dass die Ergebnisse der anderen Methoden zum Teil sehr erheblich von der repräsentativen Telefonstichprobe abweichen; zum Teil um 41 Prozent. Mögliche Begründungen dafür sind, dass Offliner oder sehr alte Menschen bei Online-Erhebungen unberücksichtigt bleiben. Wenn die Daten im Nachhinein gewichtet werden, werden die Ergebnisse noch unzuverlässiger. Dieser Text ist für den Politikbetrieb hilfreich, werden wir doch regelmäßig mit politischen Forderungen konfrontiert, die mit Befragungen untermauert werden sollen. Mit diesem Text lässt sich prima kontern. (MB)

Follow

Wiebke Winter: Bundesvorstand der CDU, CDU-Bremen und Klimaunion; Winters Stimme hat in der CDU Gewicht, auch wenn man ihre Positionen – zum Beispiel zum Klimaschutz – nicht teilen muss. Wer mit Ihr diskutieren möchte, kann das auf Twitter / X tun. (MB)

Attend

„Faktencheck Europa: EU-Mythen unter der Lupe“ – eine Digitalveranstaltung der Friedrich Naumann Stiftung: Am 4. März, 19:00 Uhr – 20:30 Uhr, geht es in diesem Digital-Talk mit Constantin Groth (Friedrich-Naumann-Stiftung), Marcos Moschovidis (Gründer und Chefredakteur von EU FOR YOU), Regina Völk (Europabüro der Stadt Augsburg) und Birgit Boeser (Leiterin der Europäischen Akademie Bayern) um die Europäische Gemeinschaft. In den nächsten Wochen werden zahlreiche Halbwahrheiten und Lügen über Europa unsere Social Media Timelines fluten. Der Abend ist eine gute Gelegenheit, sich über die eine oder andere EU-Geschichte belastbares Wissen draufzuschaffen. Ihr könnt euch auf der Website der Stiftung anmelden. (MB)

Been there

Talking Energy vom MEW: Wie lange könnte Deutschland bei einem Import-Stopp noch mit Energie versorgt werden? Und zwar im Jahr 2045, vorausgesetzt wir erreichen unsere Klimaschutzziele und demensprechend schaut der Energiemix in Deutschland dann ganz anders aus. Diese Frage wird in einer aktuellen Studie beantwortet, die der Unabhängiger Tanklagerverband (UTV) beim EWI – Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln in Auftrag gegeben hat. Die Studie wurde im Rahmen des Talking Energy Talks vom Verband MEW – Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland vorgestellt. Die Antwort auf die Frage muss ehrlicherweise lauten, es kommt drauf an. Aktuell kann je nach Sektor (Industrie; Verkehr, usw.) und Energieträger (Mineralöl, Erdgas, usw.) 50 bis 100 Tage ein Weiterversorgung gewährleistet werden, wenn es zu einem Energieimportstopp kommen würde. Dafür gibt es eine ausreichende Infrastruktur in Deutschland; Erdgasspeicher und Tanklager. Wenn der Energiemix im Jahr 2045 – mit viel grünem Wasserstoff und Strom – so aussieht, wie er im Szenario KN100 der dena-Leitstudie dargestellt wird, ist ein erheblicher Aus- und Umbau der Speicherinfrastruktur erforderlich, um eine Weiterversorgung von Wirtschaft und Bevölkerung im Krisenfall auf dem heutigen Niveau zu gewährleisten. Bei der Podiumsdiskussion, die Rahmen der Veranstaltung stattfand, wurde ausdrücklich gelobt, dass der UTV das Thema Resilienz der Energieversorgung mit der Studie auf die Tagesordnung gesetzt hat. Bei den jetzt anstehenden politischen Debatten wird es um das Resilienzniveau gehen. Der Zusammenhang ist klar, mehr Resilienz führt zu höheren Kosten. Vielleicht gibt es noch Einsparpotenzial bei den Standards? Allerdings hat hier aktuell die Auseinandersetzung um die Erdverkabelung beim Ausbau der Stromnetze gezeigt, dass es kostengünstige Alternativen bei den politischen Entscheidern schwer haben. Am besten auf den Punkt gebracht haben es Judith Skudelny, umweltpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion: “Wir wollen das alle Technologien und alle Speichermöglichkeiten in Deutschland erhalten bleiben.“ und die MEW-Vorstandsvorsitzende Uta Weiss: „Mit einer reinen Stromwende lassen sich die Ziele nicht erreichen.“ Ihr könnt die Studie auf der Website vom UTV herunterladen. (MB)

Eat and drink

Frühstücken im Ganymed: Täglich von 9:00 bis 14:00 Uhr könnt Ihr im Ganymed am Schiffbauerdamm 5 frühstücken. Ihr sitzt sehr schön, bald auch wieder direkt an der Spree. Der Kaffee ist gut. Von der Frühstückskarte hat mir das Croque Madame (Brioche mit Schinken, Crème fraîche und Spiegelei und Käse überbacken) für 10,80 Euro sehr gut geschmeckt. Das kann ich von dem Obstsalat leider nicht behaupten. Es gibt auch einige Frühstücksvarianten für 15 Euro aufwärts. Der Service ist freundlich. (MB)

Buy

„The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer: Für diesen Film könnt Ihr ab sofort eine Kino-Karte kaufen. Es ist harte Kost, die sich lohnt. Erzählt wird der Alltag der Familie des Lagerkommandanten von Auschwitz. Die Familie lebt direkt an der Mauer des Lagers. Von dem Terror im Lager ist zwar nichts zu sehen, aber während des gesamten Films ist der Schrecken im Hintergrund zu hören. Der Film findet Bilder dafür, wie sich Menschen, die in einer Diktatur leben, mit dieser arrangieren. Das ist verdienstvoll, denn es ist viel verständlicher als eine schriftliche Beschreibung. Die Friedrich Naumann Stiftung hat eine Preview des Films organisiert. (MB)

bwg sitzungswoche Sprechstunde mit Dr. Helge Braun MdB: „Meinen Beruf als Arzt vermisse ich immer dann, wenn ich in der Politik von besonders viel Bürokratie aufgehalten werde. Dann träume ich schon davon, im Notarztwagen zu sitzen, mal wieder praktischer zu arbeiten.” bwg sitzungswoche Sprechstunde präsentiert jeweils einen Politiker oder eine Politikerin in Nahperspektive. Im Zwiegespräch mit Diana Scholl und Christoph Nitz wollen wir die vielfältigen Facetten eines Politikers oder einer Politikerin betrachten. Persönlicher Werdegang, Verankerung im Wahlkreis und fachpolitische Agenda – die Vielfalt des politischen Alltags wollen wir bei sitzungswoche Sprechstunde thematisieren. Am Donnerstag, den 14. März ist morgens ab 8:30 Uhr Dr. Helge Braun MdB, Vorsitzender des Haushaltsausschusses, zu Gast in der Ständigen Vertretung, Schiffbauerdamm 8, 10117 Berlin. Anmeldung

Work

Quiz-Auflösung

SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil, zitiert aus der FAZ